Rom. Für Papst Benedikt XVI. hätte der Schock wohl nicht größer sein können. Ausgerechnet sein persönlicher Kammerdiener, Paolo Gabriele, der sich seit 2006 täglich in seiner Wohnung um all seine Bedürfnisse kümmerte, soll vertrauliche Informationen aus dem Vatikan an die Öffentlichkeit gebracht haben. "Schwer betroffen und schockiert" sei der Heilige Vater nach den neuesten Enthüllungen in der Affäre um die Weitergabe vertraulicher Vatikan-Dokumente an die Medien, verlautete aus Kreisen um Benedikt XVI. Am Samstag bestätigte der Vatikan, dass eine formelle Untersuchung gegen den 46-jährigen Kammerdiener aufgenommen worden sei.

Die Untersuchung wurde Vatikan-Richter Piero Antonio Bonnet anvertraut, wie der vatikanische Pressesprecher Pater Federico Lombardi mitteilte. Der am Donnerstagabend verhaftete Gabriele, Vater von drei Kindern, bleibe in Haft. Er befindet sich in einer Zelle, in der üblicherweise Schweizergardisten bei Vergehen vernommen werden. Er habe zwei Rechtsanwälte mit seiner Verteidigung beauftragt. Da der Kammerdiener im Vatikan wohne, unterstehe er der vatikanischen Jurisdiktion, sagte Lombardi. Er bestätigte, dass in Gabrieles Wohnung vertrauliche Dokumente gefunden worden seien. Die Untersuchung werde länger dauern. Bisher hatte der Vatikan den Namen des Verdächtigen nicht bekanntgegeben.


"Anschlag auf die Sicherheit des Papstes"
Bis zu 30 Jahre Haft drohen dem Mann, dem laut italienischen Medien ein "Anschlag auf die Sicherheit des Papstes" vorgeworfen wird. Gabriele habe unter anderem persönliche Briefe an den Heiligen Vater weitergegeben, was die Sicherheit des Vatikanstaates gefährde. Seit Jahrhunderten war im Vatikan niemand verhaftet worden. "Der Skandal droht Benedikts Pontifikat stark zu belasten", kommentierte die römische Zeitung "La Repubblica".

In einigen Unterlagen, die Gabriele an die Medien weitergegeben haben soll, geht es angeblich um Vorwürfe der Korruption, des Missmanagements, der Günstlingswirtschaft und um Kritik an der Führung der Vatikan-Bank IOR ("Istituto per le Opere di Religione"), deren Präsident Ettore Gotti Tedeschi am Donnerstag entlassen wurde. Gabriele habe außerdem Briefe des Papstes an seinen Sekretär Monsignore Georg Gänswein sowie Dokumente zum Fall um die 1983 entführte Vatikan-Bürgerin Emanuela Orlandi an die Öffentlichkeit gelangen lassen.