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Ein Horrortag trotz Iren-Ja

Von Hermann Sileitsch

Europaarchiv

Währungsfonds dementiert Hilferuf aus Madrid.
| Iren votieren für Fiskalpakt - Spanien im Würgegriff von Banken, Zinsen, Sparkurs.


Dublin/Madrid. Irland und Brüssel war nur ein kurzes Durchschnaufen vergönnt. Zwar gibt es eine kleine Euro-Baustelle weniger: Die Iren sagten mit großer Mehrheit von rund 60 Prozent Ja zum Fiskalpakt. Mit diesem Vertrag akzeptieren 25 von 27 EU-Staaten (alle außer den Briten und Tschechen) strengere Budget- und Sparvorschriften.

Zum Kippen konnten die Iren den Pakt nicht bringen; bei einem Nein hätte ihnen aber ein Ausschluss vom Euro-Rettungsfonds gedroht - und es wäre ein Rückschlag für den von Deutschland eingeforderten Kurs zu mehr Fiskaldisziplin bedeutet. Die irische EU-Forschungskommissarin Maire Geoghegan-Quinn begrüßte das Votum: "Das wird das Tempo für Irlands Rückkehr an die Finanzmärkte sicher erhöhen."

Deutschlands Gratiskredite

Mit Spannung war die Abstimmung erwartet worden, weil die Iren als einziges Land ein Referendum abhalten. Die Beteiligung war mit 50 Prozent durchschnittlich. Die Gegner der Sparpolitik und Befürworter von Wachstumsinitiativen hatten sich Aufwind durch ein Nein erhofft.

Der EU-Fiskalpakt hat in Griechenland, Portugal, Slowenien, Polen, Rumänien und in Lettland bereits die Parlamente passiert. In Deutschland streiten Regierung und Opposition noch um Einzelheiten; in Österreich will die ÖVP den Parlamentsbeschluss vor der Sommerpause - die SPÖ will warten, bis die Diskussion über die von Frankreich geforderte "Wachstumskomponente" abgeschlossen ist, sagte Finanzsprecher Jan Krainer zur APA. Das könnte frühestens beim EU-Gipfel am 28. Juni erledigt sein. Der Fiskalpakt tritt in Kraft, sobald ihn 12 von 17 Eurostaaten ratifizieren.

Das irische Votum war also eigentlich eine positive Nachricht für die Märkte. Dennoch lautete am Freitag die Devise: "Rette sich, wer kann!" Anleger warfen alles auf den Markt, was nach einer riskanten Investition roch. Der deutsche Börsenindex DAX lag 3,4 Prozent im Minus, der Wiener Index ATX fiel um 1,8 Prozent. Der Eurokurs oszillierte um sein Zweijahrestief von 1,23 Dollar.

Die Flucht in "sichere Häfen" beschleunigte sich erneut. Dadurch zahlt Deutschland für Kredite praktisch keine Zinsen mehr - die Renditen für zehnjährige Papiere sanken auf 1,129 Prozent. Zuletzt hatten Investoren bei zweijährigen Titeln ganz auf Zinsen verzichtet. Sie nehmen also reale Verluste hin, nur um ihr Geld beim deutschen Staat parken zu dürfen. Ähnlich in den USA: Laut Reuters-Daten lagen die Renditen für zehnjährige Staatsanleihen mit 1,442 Prozent so tief wie seit Anfang des 19. Jahrhunderts nicht mehr. Der Goldpreis stieg um 3,7 Prozent, der größte Tagesgewinn seit dreieinhalb Jahren.

Keine IWF-Pläne für Spanien

Grund ist die Krise in Spanien, wo sich die Zukunft des Euro wohl entscheiden wird. Das Land wird von drei Seiten in den Würgegriff genommen: Die Probleme seiner Banken und Sparkassen werden zu einem Fass ohne Boden. Die Summen, welche Madrid für die Rettung der Geldinstitute vorgesehen hatte, reichen bei weitem nicht aus. Das nährt die Anlegersorge, dass die Spanier ihre Staatsschulden womöglich nicht zurückzahlen können. Für frisches Geld werden ihnen deshalb exorbitant hohe Zinsen abverlangt - die Renditen für zehnjährige Staatsanleihen bewegten sich zuletzt in Richtung 6,6 Prozent. Auf ähnlichem Niveau hatten Portugal, Irland und Griechenland die Reißleine gezogen und den Euro-Fallschirm aufgespannt.

Keiner weiß derzeit, wie die konservative Regierung von Mariano Rajoy die Bankenrettung stemmen und dennoch ihre Sparziele erreichen soll. Sogar die EU-Kommission, die sonst auf die strikte Einhaltung der Budgetziele pocht, räumt den Iberern nun ein Jahr mehr Zeit ein. Alleine die marode Sparkasse Bankia wird fast 20 Milliarden Euro benötigen. In Summe könnte Spanien die Rettung seines Finanzsektors noch an die 100 Milliarden Euro kosten, lauten Schätzungen.

Dass IWF-Chefin Christine Lagarde die Vize-Regierungschefin Soraya Saenz de Santamaria traf, sorgte für Spekulationen, dass der Währungsfonds ein Rettungspaket schnüre. Das "Wall Street Journal" nannte die Kreditsumme von 300 Milliarden Euro. Lagarde dementierte: "Es gibt keinen solchen Plan. Wir haben keine entsprechende Bitte erhalten und unternehmen keine Handlungen in Bezug auf jegliche finanzielle Hilfe." Die Regierung in Madrid will überdies auf Hilfe durch den Euro-Rettungsschirm verzichten.