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Preistreiber Ökostromförderung

Von Helmut Dité

Europaarchiv

Auch EU-Kommissar Öttinger für "Geschwindigkeitsbegrenzung" beim Ausbau der Erneuerbaren Energie.


Berlin/Wien. Gut ein Jahr nach dem Start der deutschen Energiewende eskaliert der Streit: Die Kosten drohen zu explodieren, die Kritik an der drohenden "Ressourcenverschwendung" durch den unkoordinierten Ausbau der erneuerbaren Energieträger - und deren teure Förderung - wird lauter. Am Freitag warfen der Deutsche Gewerkschaftsbund und Umweltschutzverbände bei einer gemeinsamen Tagung der deutschen Bundesregierung "Versagen" bei der Energiewende vor: "Ein Jahr wurde vertan mit Kompetenz-Gerangel", sagte DGB-Chef Michael Sommer.

"Überambitionierte Ziele", die zu einer teuren Stromüberproduktion führen würden, kritisierte am Freitag die "Financial Times Deutschland" unter der Schlagzeile "Deutschland droht Überspannung". Vor allem durch den massiven Ausbau der Windenergie - Schleswig-Holstein etwa plant bis 2020 allein durch den Ausbau von Windparks dreimal so viel Strom zu erzeugen, wie das Land selbst verbraucht - aber auch durch Autarkie-Bestrebungen in Bayern würden die Kosten für die Förderungen nach dem EEG, die alle deutschen Stromkunden schon jetzt stark belasten, explodieren.

Nach mehreren Preiserhöhungen schon 2012 dürfte der Strompreis in Deutschland bis 2030 um insgesamt 70 Prozent steigen, warnte jüngst eine Studie. "Wer als Bundesland gezielt massive Überkapazitäten und Stromexporteur oder unbedingt autark werden will, sollte dafür nicht auch noch staatliche Subventionen abgreifen dürfen", heißt es dazu in einem Kommentar der "FTD" unter dem Titel "Preistreibende Kleinstaaterei".

Insbesondere zu den Kosten der Energiewende sei mehr Realismus nötig, hatte diese Woche auch Österreichs Energie-Control-Vorstand Walter Boltz, gefordert. Es dürfe keine ungehemmte Ökostrom-Förderung geben, denn irgendwann stoße die Belastbarkeit der Verbraucher an Grenzen, warnte Boltz. Der Netzausbau könnte den Nachbarn 57 Milliarden Euro kosten - mehr als die deutsche Hilfe für Griechenland.

"Erneuerbare nicht ungehemmt fördern"

Es gehe nicht an, Erneuerbare Energien ungehemmt zu fördern - denn dann werde die Stromerzeugung für andere Marktteilnehmer unattraktiver. Allein durch die bisherige Abschaltung von Kernkraftwerken habe die deutsche Energiewende Österreich schon 200 Millionen Euro gekostet, weil die internationalen Großhandelspreise stiegen. Endlich werde darüber auch auf EU-Ebene diskutiert, dass man Elektrizität aus Renewables nicht um jeden Preis ins Netz einspeisen lassen könne, wenn kein Bedarf daran gegeben sei: EU-Energiekommissar Günther Oettinger hatte sich am Mittwoch für eine "Geschwindigkeitsbegrenzung beim weiteren Zubau erneuerbarer Energie" ausgesprochen. "Der Ausbau muss besonnen und nicht ungeordnet laufen". In Deutschland habe es "zum Teil unnötige Mitnahmeeffekte bei zu hohen risikofreien Renditen" gegeben, eine Anpassung der Fördersätze sei dringend geboten, so Öttinger.

Die Ökostrom-Zuschläge sind in Deutschland mit 4,6 bis 5,3 Cent je Kilowattstunde (kWh) schon fast so hoch wie die eigentlichen Stromkosten von 5 bis 6 ct/kWh, in Österreich dagegen lägen sie bei einem Drittel, erläuterte Boltz.

Die am Freitag von der Energie Allianz Austria angekündigte Senkung des Strompreises sieht Boltz als erstes Resultat des am 1. Juli in Österreich in Kraft tretenden neuen Ökostromgesetzes: "Wir erwarten, dass auch andere Versorger in ähnlichem Ausmaß ihre Energiepreise senken".