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Mit Natalja gegen Julia

Von Gerhard Lechner

Europaarchiv

Ukraines Präsident Janukowitsch will sich mit Tricks die Mehrheit sichern.


Kiew. Tough soll sie sein, hemdsärmelig, charismatisch - eine Art Klon oder jüngere Ausgabe von Julia Timoschenko. Kein Wunder: Bis zum März dieses Jahres war Natalja Korolewska, die 37-jährige Tochter einer reichen ostukrainischen Unternehmerfamilie, selbst hochrangiges Mitglied im "Block Julia Timoschenko", dem Parteienbündnis der Ex-Premierministerin. Nach der Verhaftung der Parteichefin vor einem Jahr und dem harten Gerichtsurteil gegen sie wurde sogar gemutmaßt, Korolewska könnte die verwaiste Parteiführung übernehmen.

Daraus wurde nichts: Bei den kommenden Parlamentswahlen Ende Oktober wird wohl - nachdem der inhaftierten Timoschenko die Kandidatur verwehrt werden wird - Ex-Außenminister Arseni Jazenjuk als Nummer eins der Opposition antreten. Natalja Korolewska, die sich als Sozialdemokratin sieht, hat indessen den Absprung geschafft: "Vorwärts Ukraine" heißt ihre neue Partei. Kürzlich hat sie mit Fußballstar Andrej Schewtschenko einen prominenten, enorm populären Neuzugang auf ihrer Liste vorgestellt. Die Fünfprozenthürde, die für sie schon vor der Vorstellung des Nationalhelden "Schewa" in Griffweite war, wird Korolewska damit wohl locker überspringen.

Kiewer Politikbeobachter sehen in dem Aufstieg der braveren Ausgabe Timoschenkos und im Engagement des Fußballstars die wohlbekannte Hand "der Macht" am Werk. Schließlich ist die regierende "Partei der Regionen", der auch Präsident Wiktor Janukowitsch entstammt, derzeit nicht gerade populär. Oppositions-Kandidat Jazenjuk gilt dagegen noch als relativ unverbraucht. Und mit dem populären Boxer Vitali Klitschko kandidiert ein anderer Nationalheld auf Seiten der Opposition - allerdings mit einer eigenen Liste. "Vorwärts Ukraine" könnte also, so mutmaßen Politologen, ein Versuch Janukowitschs sein, Stimmen aus dem Lager der Opposition abzuziehen - auf eine Liste, mit der sich im Zweifelsfall regieren ließe.

Der Präsident hat allerdings auch noch andere Tricks auf Lager: Zu Jahresbeginn kehrte die Ukraine zum "gemischten" Wahlsystem zurück. Im Herbst werden nur noch 50 Prozent der Abgeordneten über Parteilisten gewählt, der Rest per Mehrheitswahlrecht über Direktmandate. Meist sichern sich so der Obrigkeit nahestehende Oligarchen, die ihren Wahlkreis intensiv mit Geld bearbeiten, ihren Sitz.