Wien. Rockige Klänge, französisches Chanson, Urban Pop oder barocke Anleihen: Die Suche nach dem heimischen Kandidaten für den Eurovision Song Contest (ESC) ist in vollem Gange. Am Dienstag mussten sich die 16 zur Auswahl stehenden Acts bereits vor den Fernsehkameras beweisen. Die Aufzeichnung der ersten Vorausscheidungsshow im ORF-Zentrum wurde dabei durch die Bank als "große Chance" wahrgenommen. Der Weg bis zum Finale am 23. Mai in der Wiener Stadthalle ist allerdings noch sehr lang: Die 16 Kandidaten der ersten Show (zu sehen am 20. Februar auf ORFeins) werden nämlich auf sechs reduziert, die in der Folge mit Coaches, Songwritern und Produzenten den Beitrag für Österreich auf die Beine stellen sollen. Und erst am 13. März wird die Frage "Wer singt für Österreich?" beantwortet werden. Das Ergebnis der Aufzeichnung vom Dienstag ist daher geheim.
Trotz des großen Publikums, dem man sich in der Vorauswahl präsentieren darf, war die Entscheidung für eine Teilnahme aber nicht für alle so selbstverständlich. "Diskussion ist milde ausgedrückt, es waren schon eher Streitereien", blickte Thorsten von Kommando Elefant zurück. Letztlich habe man das Abenteuer aber gewagt, "und wir sind jetzt sehr zufrieden". Die oberösterreichische Folkshilfe machte sich indes keinen Druck: "Sollten wir nicht weiterkommen, geht die Welt nicht unter."
Vom frühen Nachmittag bis in den Abend hinein herrschte ein Kommen und Gehen im großen Aufnahmestudio des ORF: Während sich eine Band der verteilt im Publikum sitzenden Jury stellte, die die Auswahl der sechs potenziellen ESC-Starter trifft, sah sich der Rest den Journalisten gegenüber. "Man ist schon ein bisschen kribbelig", gestand Kathi Kallauch. Und auch die Wiener Band Dawa artikulierte "eine Spur Lampenfieber". Dem Motto "Building Bridges" sah sich die Formation Tandem verpflichtet: "Beim Song Contest bringt jedes Land kulturell etwas mit. Bei uns umfasst das Kroatien, Burgenland und Wien", so Sängerin Kiki. Den "Zeitgeist" wollen hingegen wo/Men treffen, mit "handgemachter, österreichischer Popmusik". Mit deutschsprachigem Pop hoffte Songwriter Lemo bei der Jury zu punkten. "Das würde wohl ungefähr zum Song Contest passen", lachte er.
Dass es darüber recht unterschiedliche Ansichten gibt, zeigte sich in der Pause der Aufzeichnung, als die Coaches erste Bilanz zogen. "Nieten sind keine dabei", meinte Sascha Vollmer von The BossHoss einigermaßen diplomatisch. "Alle haben etwas, alle sind talentiert." Weniger zufrieden mit den ersten Darbietungen war Nazar, für den "90 Prozent megalangweilig" waren. Allerdings relativierte der Rapper sein Urteil am Ende des Tages. "Von 16 werden sechs weiterkommen, und das werden die Besten sein", pflichtete ihm Alec Völkel, zweite Hälfte der deutschen Band The BossHoss, bei. "In erster Linie muss man schauen: Wo bleiben wir hängen und haben diesen Aha-Moment?" Sängerin Anna F. sprach davon, den Künstlern ein paar "moderne Elemente" in die Hand zu geben. Immerhin einige Acts verdienten von ihr die Bewertung "cool".
Was Europa zu bieten hat
Das Urteil der Coaches stand bei der ersten ORF-Show aber ohnedies nicht im Vordergrund, sondern jenes der knapp 20-köpfigen Jury: Sie war es, die über Aufstieg oder Fall entschied. Die sechsköpfige Formation Mizgebonez wollte dabei mit "Action und guter Laune" überzeugen. Der Eurovision Song Contest (ESC) sei laut MC Dreista ein Bild dessen, "was Europa musikalisch zu bieten hat".
Vielleicht ist hier ja ein "moderner Mix aus Black Music" gefragt, wie ihn die Royal Kombo versteht. Etwas unentschlossen wirkten Renato Unterberg. "Wir schauen gerade, was der Song Contest für uns bedeutet", schmunzelte der Leadsänger. Aber Sprungbrett bleibt Sprungbrett, glaubt man zumindest Clara Blume: "Es gibt ja nur zwei Möglichkeiten: Entweder man bleibt im Underground und trägt ewig seine Instrumente selbst, oder man schafft den Sprung."
Das Spiel mit Wirklichkeit und (historischer) Fiktion liegt wiederum dem Trio Johann Sebastian Bass, das sich dem "Elektrokoko" widmet und dank seiner Perücken optischer Hingucker war.
Der ORF will mit der Vorausscheidung einen Überblick über die heimische Musikszene bieten. "Und die ist in erster Linie diverser und valider, als wohl vielen denken", so ORF-Redaktionsleiterin Stefanie Groiss.