Wien/Hannover. Die deutsche Vorentscheidung zum 60. Eurovision Song Contest (ESC) hat am Donnerstagabend in Hannover mit einem Eklat geendet: Der Sieger der Zuschauerabstimmung, Andreas Kümmert, erklärte nach seiner Wahl überraschend seinen Verzicht auf die Teilnahme am Finale am 23. Mai in Wien. Stattdessen soll nun die Zweitplatzierte, die 24-jährige Hamburgerin Ann Sophie, starten.
"Ich bin nicht wirklich in der Verfassung, diese Wahl anzunehmen", sagte der 28-Jährige nach seinem Sieg. Der Verzicht Kümmerts ist in der deutschen ESC-Geschichte beispiellos. Kümmert begründete seinen für alle Anwesenden überraschenden Verzicht in Hannover damit, dass er glaube, dass er es nicht so gut könne wie die von ihm in der Zuschauerabstimmung bezwungene Ann Sophie. Nähere Angaben machte der 2013 bei der Castingshow "The Voice" erfolgreiche Sänger nicht. In der Sendung war lediglich bekannt geworden, dass Kümmert mit hohem Fieber zum Vorentscheid angetreten war.
Unverständnis im Publikum
Im Vorfeld des Finales hatte es außerdem Medienberichte gegeben, wonach er bei einem Konzert Frauen sexistisch beleidigt haben soll. Die Entscheidung des Sängers löste beim Publikum Erstaunen und Empörung aus, es gab zahlreiche Buhrufe. In dieser aufgewühlten Stimmung erklärte die Moderatorin Barbara Schöneberger die Sängerin Ann Sophie zur deutschen Teilnehmerin des ECS-Finales in Wien. "Du fährst jetzt nach Wien", sagte Schöneberger ohne weitere Absprache mit den ARD-Verantwortlichen.
Die junge Sängerin, die erst bei einem Clubkonzert im Februar die Teilnahme am Vorentscheid gewonnen hatte, reagierte sichtlich verunsichert auf die überraschende Wende. "Wollt ihr das überhaupt?", fragte sie zweifelnd ins Publikum. Moderatorin Schöneberger war aber offenbar nicht gewillt, größere Diskussionen aufkommen zu lassen - sie sagte "ja, das wollen sie" und ließ Ann Sophie ihr Lied singen. Sie soll nun mit "Black Smoke" beim ESC-Finale antreten.
Internationale Erfahrung bringt die Hamburgerin mit. Sie wurde in London geboren und ging mit 20 nach New York, um Schauspiel zu studieren. Daneben startete sie ihre Musikkarriere, sang in Bars und nahm ihre ersten selbst geschriebenen Songs auf. Acht Solokünstler und Bands stellten sich dem Votum der Zuschauer, die per Telefon und SMS abstimmen konnten. Im Halbfinale gewannen Ann Sophie und Andreas Kümmert gegen die Berliner Frauenband Laing und die für den Echo nominierte Sängerin Alexa Feser. Mrs. Greenbird, Faun, Fahrenhaidt und Noize Generation waren bereits nach ihrem ersten Song ausgeschieden.
Ann Sophie hat Respekt vor Kümmerts Verzicht
Die deutsche Kandidatin für den Eurovision Song Contest Ann Sophie hat Respekt vor Andreas Kümmerts Entscheidung, nicht für Deutschland beim Finale in Wien zu singen. "Ich finde es megamutig, dass er in dem Moment so auf sein Herz gehört hat", sagte die 24-Jährige am Donnerstagabend nach der ARD-Show "Unser Song für Österreich" in Hannover.
Das Publikum hatte beim deutschen Vorentscheid für den Eurovision Song Contest Rocksänger Andreas Kümmert zum Sieger gekürt. Der 28-Jährige nahm die Wahl jedoch nicht an. Der für die Show verantwortliche NDR wurde von dieser Entscheidung komplett überrascht. "Wir haben da mit offenem Mund gestanden", sagte ARD-Unterhaltungskoordinator Thomas Schreiber.
Conchita Wurst verlieh der Show Glamour. Die österreichische ESC-Gewinnerin von 2014 präsentierte zum Auftakt ihren Siegersong aus dem vergangenen Jahr, "Rise Like a Phoenix", und vor der Entscheidung ihr neues Lied "You Are Unstoppable".