Athen. Es ist schon immerhin zehn Jahre her, dass Griechenland das erste und bisher einzige Mal den Eurovision Song Contest (ESC) gewann. Elena Paparizou, damals 23 Jahre alt, als Kind hellenischer Auswanderer in Schweden geboren und aufgewachsen, feierte mit dem Lied "My Number One" den Sieg - und ganz Hellas stand kopf. Als Paparizou auf den Peloponnes zurückkehrte, erwartete sie ein grandioser Heldenempfang. Der griechische Triumph im ultimativen Schlager-Wettbewerb auf dem alten Kontinent, er reihte sich nahtlos in eine beinahe unglaubliche Erfolgsserie zu Füßen der Akropolis ein. Den Anfang hatte die griechische Fußball-Nationalmannschaft gemacht, die sensationell den Europameister-Titel errungen hatte. Wenige Wochen später zogen die Olympischen Sommerspiele 2004 in Athen, 108 Jahre nach den ersten Spielen der Moderne in ihrem Geburtsland, weltweit Milliarden Menschen in ihren Bann.
Befeuert wurde die allenthalben herrschende Heiterkeit auf Griechisch von einem damals noch ungebremsten Boom im noch jungen Euro-Land. Für Griechenland schien es nur eine Richtung zu geben: nach oben. Und der unaufhaltsame Aufstieg der Griechen hatte seine Hymne bekommen: "My Number One".
Der Euphorie folgte die kollektive Depression. Der Grund: Griechenland manövrierte sich Anfang 2010 an den Rand einer Staatspleite. Seither versucht das ewige Euro-Sorgenland, wieder auf die Beine zu kommen. Bis dato vergeblich. Auch musikalisch rissen die Griechen seit dem Ausbruch der desaströsen Krise keine Bäume aus - zumindest nicht beim Eurovision Song Contest.

In der Wiener Stadthalle soll das anders werden. "One Last Breath" heißt das Lied, mit dem die Hellenen in diesem Jahr antreten. Und erneut soll es eine Sängerin richten. Ihr Name: Maria-Elena Kyriakou, 31. Und: Wie Paparizou ist sie gar nicht in Griechenland geboren und aufgewachsen. Die Zypriotin stammt aus der Küstenstadt Larnaka.
Nur: Von großer Vorfreude auf das Mega-Event in Wien ist in diesen Tagen in Griechenland nichts zu spüren. Der Grund ist simpel: Zu drückend sind die Probleme, die das Krisenland und seine Bewohner weiterhin zu schultern haben. Und Besserung ist nicht in Sicht. "Vor der Krise habe ich mir den Eurovision-Wettbewerb stets im Fernsehen angeschaut. Ich habe mich schon im Vorfeld dafür interessiert. Ich habe Interviews gelesen, die Lieder angehört. Heute? Die Zeiten haben sich geändert. Ich muss sehen, wie ich und meine Familie über die Runden kommen", sagt etwa Konstantina Daskalopoulou, 35, der "Wiener Zeitung". Die Unternehmerin, die mit ihrem Mann in Athen eine einst blühende Bau-Firma betreibt, nun aber mit einer Dauer-Flaute mit verheerenden Auswirkungen in der hiesigen Branche zu kämpfen hat, fügt lapidar hinzu: "Ich bin einfach nicht in der Stimmung, mich überhaupt darauf zu freuen."
Katerina Daskalopoulou ist kein Einzelfall. Egal, wen man auf den Straßen von Athen und anderswo in diesen Tagen auf den bevorstehenden ESC anspricht: "Haben Sie Interesse?" Fehlanzeige. Ohnehin hält sich hierzulande das Medieninteresse für den ESC, gelinde gesagt, in Grenzen. Schlimmer noch: Viele der Befragten wissen sogar nicht genau, wer Hellas heuer beim ESC vertritt.
Schlagzeilen macht anderes: Permanent sorgen dafür die nicht enden wollenden Verhandlungen der neuen Athener Regierung unter dem linksradikalen Premier Alexis Tsipras mit Griechenlands Gläubigern aus EU, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds über die Freigabe neuer Hilfsmilliarden.
Zuversicht trotz Desinteresse
Dem grassierenden Desinteresse in der Heimat zum Trotz: Maria-Elena Kyriakou, die beim ESC heuer für Griechenland antritt, sprüht zwar vor Zuversicht. "Ich glaube schon, dass ich das Zeug dafür habe, den ersten Platz zu belegen", erklärte sie kürzlich der Athener Sonntagszeitung "Real News". Mit Blick auf die von manchen als dubios eingeschätzte Punktevergabe wollte sich aber einen Seitenhieb nicht verkneifen. "Aber wir wissen doch alle, wie die Dinge beim ESC laufen. Der Ausgang hängt sehr von gewissen Gegebenheiten und Zweckmäßigkeiten ab." Konkreter wollte Kyriakou jedenfalls nicht werden.
Dennoch: Ambitioniert bleibt die dreifache Mutter jedenfalls: "Ich habe das Gefühl, dass ich den Sprung unter die ersten sechs Plätze schaffen kann. Ich habe mir alle anderen Lieder der Konkurrenz angehört. Ich brauche mich wirklich nicht zu verstecken."
Feststeht: Kyriakou und ihr Team haben bereits wenige Tage nach dem gewonnenen ESC-Vorentscheid an ihrem Lied Veränderungen vorgenommen. Dadurch soll dem Song "One Last Breath" eine zusätzliche Dynamik verliehen werden. Vielleicht hat das Symbolkraft. Denn: Neue Kräfte hat auch Griechenland nötiger denn je.