Wien. Am Ende ging ein kollektives Seufzen der Erleichterung durch das Pressezentrum des Song Contest. Mit dem Schweden Mans Zelmerlöw und seinen "Heroes" konnten alle leben. "Wir sind sehr froh, ein Song Contest in Russland wäre schwierig gewesen", sagt Brian. Der britische Blogger drückt das aus, was sich auch im wechselnden Applaus während der Ergebnisverkündung abgezeichnet hatte. Zu Beginn, als Russland vorne wegzog, begann der Zuspruch immer spärlicher zu werden.
Dabei kann die Russin Polina Gagarina, deren "A Million Voices" durchaus Siegerpotenzial hatte, nichts dafür. Ihr Hit war grundsolides Pop-Material, wunderbar vorgetragen und eines Song-Contest-Siegers würdig gewesen. Dass sie am Ende mit 303 Punkten hinter Zelmerlöw mit 365 Punkte landete ist vielleicht auch politisch motiviert – ein Song Contest in Moskau war nicht nur im Lichte der Krise in der Ukraine, sondern auch wegen dem Umgang Moskaus mit Homosexualität für viele offenbar nicht vorstellbar.
Dabei ist der letzte Sieg Russlands gar nicht lange her – 2005 gab es wenige Bedenken, den Bewerb nach Moskau zu holen. Doch Zelmerlöw mit seinen tanzenden Strichmännchen schien diesmal doch die bessere Alternative. Für Schweden ist es der zweite Sieg in den noch jungen Zehnerjahren – 2012 holte die Pophymne "Euphorea", vorgetragen von Loreena, den Sieg.
Für den ORF bleibt, abgesehen von der (leider absehbaren) Nullnummer durch die Makemakes, unterm Strich ein perfekt ausgetragener Bewerb. "Die Halle wirkte durch den ausladenden Green Room in Summe kleiner als sie ist, aber sonst kann Wien in jeder Hinsicht mithalten. Eine Top-Leistung.", meint Jens, ein Radioreporter aus Deutschland, der bereits zum achten Mal von einem ESC berichtet und der - so wie Österreich - eine peinliche Nullnummer in die Heimat schicken muss. Auch die deutsche Ersatzkandidatin Ann Sophie war beim internationalen Publikum durchgefallen.
Die Teilnahme Australiens wurde nicht nur im Pressezentrum durchwegs als Bereicherung empfunden. Nicht zuletzt weil die Delegation des dortigen TV-Senders SBS während Guy Sebastians "Tonight Again" eine fast perfekte Tanzchoreographie (nebst aufblasbarem Känguruh) auf das Parkett der zur Medienzentrale umgebauten Halle B der Stadthalle legte. Am Ende gab's von den umstehenden Kollegen Applaus - und mit 196 Punkten Platz 5 und damit für das erste Mal eine mehr als gelungene Premiere. Ob Schweden den Kollegen Down Under wieder eine Wildcard gewährt, wird man erst sehen.
Dass man sich bei manchen Journalisten nicht sicher war, ob sie jetzt in Ausübung ihrer Profession vor Ort sind oder sich eher als Fans sehen, sei nur am Rande erwähnt. In Fahnen gehüllt, die Nationalfarben ins Gesicht geschminkt, verflossen da die Grenzen zwischen objektivem Berichterstatter und haltlos begeistertem Fan. Und so wollte der Jubel in der schwedischen Delegation dann auch fast kein Ende nehmen.
Als sich die Halle nach der Pop-Party langsam leerte, sah man viele müde Gesichter. Aber auch Vorfreude, lautet doch das Motto des Hardcore-Fans: Nach dem Song Contest ist vor dem Song Contest.