Danzig. (sir) Wenn es erwartbare Überraschungen gibt, dann hat sie Deutschlands Teamchef Joachim Löw im Viertelfinale gegen Griechenland aus der Reservebank gezaubert. Er brachte den kombinationsstarken Miroslav Klose für den etwas statischen Mario Gómez, und er besetzte die Außen in Marco Reus und André Schürrle neu. Und schon nach wenigen Minuten sahen diese Entscheidungen so logisch aus, dass man sich fragte, warum diese Aufstellung überhaupt eine Überraschung sein sollte.

Die Griechen hatten Anstoß, passten vorsichtig und ängstlich den Ball in den eigenen Reihen, dann kam der erste Ballverlust und Sekunden später stand Klose allein vor dem Tor – allerdings knapp im Abseits. Doch den Griechen war damit klar, was sie erwarten würde, und es rollte dann auch eine immense Offensivwucht auf sie zu. Schürrle und Reus machten das Spiel sehr breit, und beide sorgten auch immer wieder für Gefahr, vor allem Reus, der sich auch sichtbar gut mit Mesut Özil verstand.

Nach und nach sammelten sich die Chancen an, die am schönsten herausgespielte vergab Özil nach einer brasilianisch anmutenden Kombination über Klose und Reus (23.). Özil hatte bei diesem Spielzug das letzte Wort, und es sollte nicht irgendeines sein. Er versuchte den Ball elegant am Torhüter vorbeizulegen, doch er scheiterte damit.


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Ein einfaches Tor
So sehr sich die Deutschen auch um kreative Lösungen bemühten, erforderte dieses Spiel und die defensive Taktik der Griechen auch etwas anderes. Ein Tor würde den ganzen Charakter der Partie ändern, und so ein Tor kann auch auf simple Art erzielt werden: ein abgefälschter Schuss, der den Keeper auf dem falschen Bein erwischt, ein krasser Abwehrfehler samt anschließendem Abstauber. Oder das gute alte Flanke-Kopfball-Tor, das Deutschland bei der WM 2002 bis ins Finale gebracht hatte. Irgend so etwas.

Es war dann ein Weitschuss des Kapitäns Philipp Lahm, der in der 39. Minute per Gewaltakt zum 1:0 traf. Acht große Chancen hatten die Deutschen zuvor ausgelassen. Die Griechen hatten in der ersten Hälfte nicht einmal eine einzige Ballberührung im gegnerischen Strafraum, und mit diesem Tor fiel ihre ganze Strategie zusammen.

Die Tschechen, die tags zuvor gegen Portugal ähnlich unterlegen waren, konnten auch nach dem 0:1 keine Offensivakzente setzten, die Griechen versuchten es immerhin, stellten sich nach dem Seitenwechsel ein wenig weiter nach vorne, und sie erwischten die Deutschen tatsächlich auf dem falschen Fuß. Die Löw-Elf hatte es sich nach einer anstrengenden ersten Hälfte etwas zu bequem gemacht, als Giorgos Samaras zum 1:1: traf (55.). Es war allerdings der erste Angriff, und Jérôme Boateng verzichtete darauf, gegen Samaras zu verteidigen.

Für einen solchen Lapsus ist diese deutsche Mannschaft immer gut, das weiß man, doch sie kann ihn sich meist leisten. Nur sechs Minuten später traf der überragende Sami Khedira zum 2:1, zwar nicht per Kopf, aber doch nach einer Flanke. Der Kopfballtreffer war dann Klose vorbehalten (68.), Marco Reus steuerte einen vierten Treffer bei. Es waren keine besonders schönen Tore, es waren einfache Treffer, was aber keine Rolle spielt. Glänzen kann man ja auch in den Minuten zwischen den Toren.

Griechen überfordert
Den Griechen aber ihr defensives Verhalten vorzuwerfen ist angesichts der zweiten Hälfte ungerecht, denn kaum machten sie nur ein bisschen auf, hatte Deutschland Räume, die sie zu nutzen verstanden. Die DFB-Equipe war qualititiv einfach um ein paar Klasse besser.

"Wir haben es uns unnötig schwer gemacht, wir hatten schon in den ersten Minuten riesige Möglichkeiten, in Führung zu gehen", sagte Lahm, der auch anmerkte: "Phasenweise haben wir zu leichtsinnig und langsam gespielt." Im Halbfinale treffen die Deutschen am Donnerstag in Warschau auf den Sieger der Partie England gegen Italien.

Angesichts des starken Auftritts und den vier Treffern sind die Deutschen auch in diesem Spiel Favorit, und mit den Änderungen in der Offensive hat Löw bewiesen, dass er wirklich den ganzen Kader benötigt, es nicht leere Beteuerungen waren, um die Bankdrücker bei Laune zu halten. "Es war heute reif, irgendwas zu versuchen. Es hat sich gelohnt", sagte Löw.