Wien. (temp/apa) Ein blutüberströmter, sichtlich verletzter Patient werde freilich auch künftig nicht von der Spitalambulanz weggeschickt, versicherte Harald Mayer, Obmann der Angestellten Ärzte und Vizepräsident der Ärztekammer (ÖÄK). Auch kein Patient mit einem harmlosen Schnupfen. Letzterer sollte aber gar nicht erst kommen - genau darum geht es bei dem neuen Modell der ÖÄK zur Umstrukturierung der medizinischen Versorgung, das am Mittwoch präsentiert worden ist. Geht das Konzept auf, könnte es den Ärzten zufolge ein Allheilmittel gegen Probleme bei Arbeitszeit, Turnusärzten und Teilzeit im Spital sowie gegen überfüllte Spitalambulanzen sein.
Der Schlüssel dazu ist ein Spitalsystem, so die ÖÄK, das sich an Regionen orientiert. Schon jetzt gibt es 32 Versorgungsregionen in Österreich, laut Mayer könnten es künftig aber auch weniger sein. Der wesentliche Unterschied zum heutigen System sei, dass an der Spitze ein Leit-Krankenhaus mit 24-Stunden-Vollbesetzung stehen soll. In diesem sollen laut Mayer schwere Erkrankungen und intensiv-medizinische Fälle behandelt werden. Statt der derzeitigen kollegialen Führung mit einem ärztlichen Direktor, einem Verwaltungsdirektor und der Leitung des Pflegedienstes soll es in Zukunft pro Region nur einen Leiter mit Gesamtverantwortung geben. Unter dessen Ägide sollen Ärzteteams im Einsatz sein.
Unter dem Leit-Spital sieht das Konzept Regional-Krankenhäuser mit 24-Stunden-Teilbesetzung und Rufbereitschaft vor, wo weniger schwere Fälle behandelt werden. Darunter soll es stationäre Betteneinheiten mit ambulanter fachärztlicher Betreuung geben, wohin man etwa nach einer Operation verlegt werden könnte. Schließlich enthält das Modell auch ärztliche Gruppenpraxen respektive Ordinationszentren mit 24-Stunden-Rufbereitschaft und Einzelordinationen.
Keine Selbstzuweisung mehr an Spitalambulanzen
Was macht dieses Konzept nun zum Allheilmittel? Wie und wo wirkt es? "Durch die Gruppenpraxen sollen die Ambulanzen nicht weiter die einzigen Anlaufstellen sein", sagte Mayer. Patienten sollen künftig nur noch mit Zuweisung von niedergelassenen Ärzten oder in Notfällen in die Ambulanzen kommen. "Ich hatte am Wochenende in der Unfallambulanz Dienst und musste unter anderem fünf Zecken entfernen", so Mayer.
Dieses Beispiel soll demonstrieren, dass aktuell Ressourcen vergeudet werden. Gehen die Patienten aber von Vornherein in die rund um die Uhr geöffneten Gruppenpraxen - wie im neuen Modell vorgesehen -, wären die Spitalsärzte entlastet. Zudem könnten verschiedene Arbeitszeitmodelle geschaffen werden, zwischen denen die Ärzte frei wählen könnten.
Der "Heilungserfolg": Frauen (bereits 46 Prozent der Ärzteschaft) könnten Karriere und Beruf besser vereinbaren, und das Problem der langen Dienstzeiten von Spitalsärzten könnte gelöst werden. Die Umsetzung der EU-Arbeitszeitrichtlinie, die Wochenstunden auf 48 zu senken (derzeit bis zu 72), könnte endlich Realität werden. Zudem wäre der Arztberuf dadurch wieder attraktiver, so Mayer - was wiederum die Drop-out-Rate bei Turnusärzten, die bei 50 Prozent liegt, senken würde.
"Das ist sicherlich ein interessantes Modell", heißt es dazu auf Nachfrage der "Wiener Zeitung" aus dem Sozialministerium. Auch das Gesundheitsministerium hält es "grundsätzlich für begrüßenswert". Mit der neuen Primärversorgung, dem Zugpferd der Gesundheitsreform, verfolge man ja ein ähnliches Ziel. Die Idee hinter diesem Modell ist, dass Teams von Ärzten und anderen Gesundheitsberufen die Patienten am Wohnort auch am Wochenende versorgen - ebenfalls, um die Ambulanzen zu entlasten. Dass Patienten nur noch mit Zuweisung in diese kommen können sollen, hält das Gesundheitsministerium allerdings für "überzogen und kritisch. Patienten sollten nicht durch Zwänge gesteuert werden".