Zum Hauptinhalt springen

Neue Ausbildung macht Ärzte mobiler

Von Brigitte Pechar

Internist und Krankenhausmanager Otto Traindl warnt vor Ärztemangel.


Wien. "Wir steuern auf einen Ärztemangel zu", warnt Otto Traindl (56), Präsident des Verbands Leitender Krankenhausärzte Österreichs (VLKÖ) im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Das sei seit zehn Jahren absehbar, allein - es werde nicht gegengesteuert. Und die neue Ärzteausbildung, mit der ab Juni 2015 begonnen werden soll, könnte diese angespannte Situation noch verschärfen, sollte nicht rechtzeitig reagiert werden.

Traindl, der Internist ist und das Weinviertelklinikum Mistelbach in Niederösterreich als Ärztlicher Leiter führt, begrüßt die neue Ärzteausbildung ausdrücklich. Noch ist diese erst im Ministerrat beschlossen und muss noch vom Nationalrat verabschiedet werden. Damit ist eine mehr als zehnjährige Debatte abgeschlossen - und wie es scheint, gut: Die Ärzteausbildung in Österreich wird damit auf europäisches und internationales Niveau angehoben. Die Facharztausbildung an den Spitälern dauert nur noch sechs Jahre. Die Ausbildung für Allgemeinmediziner wird mit einer verpflichtenden Lehrpraxis bei einem niedergelassenen Arzt verlängert und verbessert.

Damit werde die Migrationsfähigkeit ins europäische Ausland erleichtert, sagt Traindl. Das sei gut. Allerdings bestehe die Gefahr, dass dadurch in Österreich immer weniger Ärzte blieben. Schon jetzt, so hieß es jüngst beim European Health Forum in Gastein, sind nur mehr 60 Prozent der Absolventen eines Medizinstudiums auch in Österreich als Arzt tätig. Immer mehr Mediziner wandern ins Ausland ab, 2013 arbeiteten 2700 heimische Ärzte alleine in Deutschland. Generell sind die Aussichten vor allem für west- und nordeuropäische Länder düster: "Sie stehen vor einem doppelten demografischen Problem, einer alternden Bevölkerung stehen alternde Fachkräfte im Gesundheitswesen gegenüber", sagt James Buchan von der Queen Margaret Universität Edinburgh. Bis zum Jahr 2020 werden Schätzungen der EU-Kommission zufolge etwa eine Million Ärzte, Pflegepersonen und andere im Gesundheitswesen tätige Personen fehlen, so Buchan - die Lücke zwischen verfügbaren Arbeitskräften und vorausgesagter Nachfrage nach Gesundheitsprofis werde weiter wachsen, es sei denn, die Politik ergreife rechtzeitig Gegenmaßnahmen.

Nichtärztliche Tätigkeiten auslagern

Genau solche Gegenmaßnahmen fordert auch Traindl. Zuerst einmal richtet sich sein Appell aber an seine eigene Zunft: "Die Ärzte müssen ihre Einstellung zur Brutpflege radikal ändern." Lehre müsse im Selbstverständnis der Ärzte verankert werden. Um die Ausbildung in Österreich zu attraktivieren, müsste der Turnus zuerst einmal von allen nichtärztlichen Tätigkeiten entrümpelt werden. Injektionen geben, Katheter setzen, Infusionen anschließen und Ähnliches könnten auch diplomierte Pflegekräfte. Das sei so auch im § 15 des Gesundheits- und Krankenpflegegesetzes vorgesehen. Dass solche Tätigkeiten immer stärker von Turnusärzten übernommen worden seien, habe auch mit dem Selbstbild der Pflege zu tun. Aber das ändere sich gerade, die Pflegeberufe werden selbstbewusster.

Traindl plädiert hier für eine Verlagerung der Tätigkeiten: von den Ärzten zur diplomierten Pflege, von der Pflege zu Hilfskräften. Diplomierte Pflegekräfte müssten nicht Betten machen, Essen verabreichen oder Bettpfannen entleeren. Dazu brauche es keine jahrelange Ausbildung. Auch viele Dokumentationsarbeiten könnten von Turnusärzten auf Sekretariatskräfte übergehen.

Das Mentoring eines Oberarztes oder Primararztes für einen Jungarzt sei zwar weiterhin nicht zwingend vorgeschrieben, sagt Traindl. Aber im klinisch-praktischen Jahr gebe es dieses Mentoring sehr wohl, er hoffe daher, dass sich dieses System auch in der Basisausbildung fortsetze, sagt der Primarius, der selbst sehr gerne sein Wissen weitergibt, wie er beteuert.

Lehrzeit für Jungärzte muss ausgedehnt werden

Dass diese intensive Ausbildung aber nicht zwischen 8 Uhr und 13 Uhr ablaufen könne, wie das derzeit der Fall sei, liege auf der Hand. Traindl wünscht sich daher, dass diese Zeit ausgedehnt wird und auch an Wochenenden Ausbildung möglich sein soll.

"Das alles ist aber nicht zum Nulltarif zu haben", sagt der Spitalsmanager. "There is no free lunch. Man kann umstrukturieren, aber mehr Zeit kostet Geld." Zusätzlich müsse auch die Reduktion der Arbeitszeit der Spitalsärzte insgesamt mitberücksichtigt werden. Und da kommen dann die Träger - in den meisten Fällen die Länder - ins Spiel. Auch dort werde man überlegen müssen, was gute Ausbildung wert sei. Denn mehr ausbildnerische Tätigkeit müsse durch personelle Ressourcen aufgestockt werden.

Und Eile sei auch bei der Erstellung der Ausbildungstracks angebracht. Da für manche Spezialisierungen bestimmte medizinische Fallzahlen notwendig seien und teilweise an einem Krankenhaus nicht erfüllt werden können, sei ein Rotationsprinzip zwischen den Spitälern notwendig. Das wiederum setze voraus, dass die dienstrechtlichen Vorschriften kompatibel werden. Die neue Ärzteausbildung sei ein riesiger Verbesserungsschritt, nun dränge die Zeit, dafür die Voraussetzungen zu schaffen, sagt Traindl.