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Allheilmittel Generikum?

Von Petra Tempfer

Billige Arzneimittel-Kopien bergen laut Generikaverband ein weiteres Einsparungspotenzial von 256 Millionen Euro jährlich. Laut Hauptverband haben sie schon jetzt wesentlich zur Konsolidierung der Kassen beigetragen.


Wien. Was vor zehn Jahren noch ein Fremdwort war, ist heute vom Arzneimittelmarkt nicht mehr wegzudenken: Generika, also wirkstoffgleiche, patentfreie Kopien eines unter einem Markennamen vertriebenen Medikaments, machen bereits ein Drittel aller in Österreich verordneten Medikamente aus.

Laut einer Studie des Marktforschungsinstitutes IMS Health Austria könnte der Anteil jedoch noch höher sein. Bei 45 Prozent der Originalmedikamente ist der Patentschutz demnach abgelaufen (ist für gewöhnlich nach 15 bis 20 Jahren der Fall), und es existieren sogar bereits Generika davon - allein, die Ärzte verschreiben sie nicht. "Vielleicht aus einer gewissen Gewohnheit heraus", vermutete Bernd Leiter, Präsident des Österreichischen Generikaverbandes, am Mittwoch anlässlich der Studienpräsentation. Tatsache sei, dass man 256 Millionen Euro jährlich einsparen könnte, würden Ärzte den Generikamarkt ausschöpfen.

Generika im Schnittum die Hälfte billiger

Sobald ein Patent abgelaufen ist, muss das Generikum nämlich per Erstattungskodex um 48 Prozent billiger als das Original sein. In weiterer Folge muss zwar auch der Preis des Originals um mindestens 60 Prozent gesenkt werden, um weiterhin von den Krankenkassen übernommen zu werden - laut IMS Health Austria sinken danach die Preise der Generika allerdings weiter, während jener des Originals stabil bleibt. Generika sind daher um durchschnittlich 55 Prozent billiger als die Originale.

Der Generikamarkt boomt. Aus volkswirtschaftlicher Sicht gewinnt die Produktion in Österreich zunehmend an Bedeutung. Insgesamt 3,1 Milliarden Umsatz initiiert die Generikaherstellung laut Präsident Leiter in Österreich, 14.800 Arbeitsplätze hängen direkt oder indirekt von ihr ab. Von den rund 285 Millionen Arzneimittelpackungen werden 90 Prozent exportiert.

Gesamtausgaben fürHeilmittel gedämpft

Und auch der Hauptverband der Sozialversicherungsträger kann sich einen Markt ohne Generika nicht mehr vorstellen. Dass nun verstärkt die preisgünstigen Kopien verschrieben werden, habe "wesentlich zur Konsolidierung der Kassen beigetragen", heißt es auf Nachfrage der "Wiener Zeitung". Gemäß der Richtlinie über die ökonomische Verschreibweise aus den 90er Jahren werde jeder Arzt dazu angehalten, das billigste Medikament zu verschreiben, sobald es mehrere mit der gleichen Wirkung gibt.

Unter anderem dank des wachsenden Generikamarktes liege die Ausgabensteigerung bei den Heilmitteln nun nur noch bei drei Prozent. "Das hält sich in etwa die Waage mit den Beitragseinnahmen", heißt es aus dem Hauptverband. Dass die Ausgaben grundsätzlich immer weiter steigen werden, lasse sich aufgrund der demografischen Entwicklung nicht verhindern. Im Jahr 2009 gab es allerdings eine Steigerung von acht Prozent. In diesem Jahr hatte die Krise im Hauptverband generell ihren Höhepunkt erreicht: Für den Zeitraum von 2010 bis 2013 waren den Kassen daher im Rahmen eines Sanierungskonzepts Kostendämpfungen von insgesamt 1,725 Milliarden Euro auferlegt worden. Diese Finanzziele wurden zwar erfüllt - noch immer sind aber nicht alle Kassen komplett saniert.

Doch nicht jeder stimmt in die allgemeine Euphorie für Generika mit ein. Die Pharmafirmen zum Beispiel, die bisher auf die Entwicklung neuer Präparate spezialisiert waren, stürzten aufgrund der Billigprodukte und dem daraus resultierenden Preisverfall in eine Krise. Ihre einzige Rettung war, selbst in den Generikamarkt einzusteigen. Das Unternehmen Novartis mit Sitz in der Schweiz etwa stellt heute unter dem Firmennamen Originale und unter dem Namen Sandoz Generika her.

Pharmaindustrie nicht uneingeschränkt euphorisch

Denn nur wer am Billigmarkt mitnascht, kann die massiven finanziellen Einbußen für die Forschung auffangen. 2,5 Millionen bis 1,5 Milliarden Euro kostet die Entwicklung allein eines Medikaments, die bis zu zwölf Jahre lang dauert. "Dazu kommt, dass das Ganze ein Hochrisikogeschäft ist, bei dem man große Summen vorstreckt - und nicht weiß, ob man aufgrund unvorhersehbarer Nebenwirkungen die Studien nach zwei Jahren einstellen muss", heißt es vom Pharmaindustrie-Verband Pharmig.

Ein weiteres Problem sei, dass die Präparate am Markt rasch wechseln, weil ständig etwas Billigeres verfügbar ist. "Patienten sind dadurch verunsichert, was nicht Sinn und Zweck einer Therapie ist." Vielleicht mit ein Grund, warum manche Ärzte lieber Originale statt Generika verschreiben - und warum ein Herz-Kreislauf-Medikament, dessen Patent seit den 90er Jahren abgelaufen ist, noch immer zu den zehn am häufigsten verschriebenen Medikamenten zählt.