Bamako. Für Modibo Keita ist die Sache klar. So etwas Gewaltiges kann nur der allmächtige Gott machen. Seit über zwei Monaten hat es keinen Tropfen geregnet, die gesamte Hirseernte auf seinem Feld im Süden Malis ist vertrocknet. Was der fromme Muslim in Berenimba für eine Laune Allahs hält, halten Klimaforscher für die ersten Auswirkungen der Erderwärmung. Seit Montag beraten sie im südafrikanischen Durban gemeinsam mit Politikern und Umweltschützern aus aller Welt, um die vorhergesagte Klimakatastrophe noch abzuwenden. Für Bauern wie Modibo Keita könnte der UN-Klimagipfel allerdings zu spät kommen.

"Die Pflanzen sollten jetzt grün und saftig, die Kolben voll und schwer sein. Stattdessen ist alles vertrocknet", klagt der 37-jährige Vater von sechs Kindern. "In guten Jahren ernte ich acht Tonnen, dieses Jahr werden es höchstens zwei. Ich weiß, dass wir im nächsten Jahr hungern werden", sagt der Bauer. Er spricht aus, was die malischen Hilfsorganisationen (noch) nicht aussprechen dürfen. "Dieses Jahr hat die Regenzeit viel zu spät begonnen und viel zu früh aufgehört. Offiziell kann aber nur die Regierung eine drohende Hungersnot ausrufen", sagt Famoury Jean Kamissoko, Klimawandel-Experte von Stop Sahel. Mit Unterstützung von Oxfam kämpft die Organisation dagegen, dass die Sahara sich nicht noch weiter nach Süden ausdehnt. Bis jetzt mit wenig Erfolg. "Die Wüste wächst. Die Zone, in der es keine ausreichenden Niederschläge gibt, ist in den letzten zwanzig Jahren um 200 Kilometer nach Süden gewandert. Das ist der Klimawandel", sagt der Experte.

Klimawandel oder Allah, Bauer Keita weiß nur, dass das Leben für ihn und seine Großfamilie immer schwerer wird. Obwohl alle in seiner Familie seit Jahrhunderten Bauern sind, dachte der sechsfache Vater in diesem Jahr zum ersten Mal ans Aufgeben. Doch ihm fiel nichts ein, wie er seine Familie sonst ernähren könnte. Keita ging nie zur Schule, kann weder lesen noch schreiben.

Während die Ernte in Berenimba verdörrt, ist das wenige Kilometer entfernte Dorf Balandougou eine grüne Oase. Vor vier Monaten weihte Stop Sahel dort einen Staudamm ein. "Ohne den Damm wären unsere Tiere in dieser schlimmen Dürre längst verendet", sagt Ladji Coulibaly, Mitglied des Wasserkomitees des Dorfes. Doch der Segen könnte zum Fluch werden. "Wenn die Leute aus dem Norden erfahren, dass wir noch Wasser haben, könnten sie hierherkommen. Dann gibt es Streit, denn das Wasser reicht nicht für alle", sagt die 76-jährige Kaime Diakite.

Traum von Europa

Die Jungen träumen schon jetzt vom Weggehen. Einer, der bald Klimaflüchtling werden könnte, ist Moussa Traoré. "Ich bin Bauer. Aber ohne Regen kann man nicht Bauer sein", sagt der 26-Jährige. In einer Goldmine will er jetzt genug Geld verdienen, um sich eine Schiffpassage nach Spanien oder Frankreich zu kaufen. Traoré hat keinen Pass, spricht weder Spanisch noch Französisch, sondern nur die Landessprache Bamanankan, doch er glaubt, dass es in Europa oft regnet und er als Hilfsarbeiter auf einer großen Farm viel Geld verdienen kann. "Ich bin arm, die Europäer sind reich. Sie werden mich sicher willkommen heißen", hofft der Bauerssohn. Auch Morissimo Diallo würde am liebsten abhauen. Über Europa weiß sie genau so wenig wie Traoré. "Weil es in diesem Jahr nicht geregnet hat, war die Ernte so schlecht, dass meine Eltern es sich nicht mehr leisten konnten, mich zur Schule zu schicken", erzählt die 15-Jährige. Der Schulbesuch kostet im Monat 76 Cent.

Für die, die bleiben wollen, sehen die Prognosen nicht gut aus. "In Mali werden die Temperaturen wahrscheinlich weiter steigen und die Niederschläge zurückgehen. Die Getreideproduktion könnte bis 2100 um 30 Prozent sinken. Der Klimawandel könnte so mühsam erreichte Fortschritte im Kampf gegen die weltweite Armut der letzten Jahrzehnte zunichtemachen", warnt Oxfam-Klimaexperte Jan Urhahn.

Viele Malier verbittert es, dass sie unter einem Phänomen leiden, das sie nicht selbst verursacht haben. In Mali, in dem über die Hälfte der Bevölkerung mit weniger als 1,10 Euro pro Tag auskommen muss, werden jährlich nur 600.000 Tonnen CO2 ausgestoßen. Alleine in Österreich sind es fast 90 Millionen. Die malische Regierung hat bereits einen Plan erstellt, wie das Wüstenland sich an den Klimawandel anpassen kann. Doch das Geld fehlt. Seitdem Muammar Gaddafi, einer der wenigen Förderer Malis, in Libyen gestürzt wurde, passiert noch weniger. "Es gab große Ankündigungen der Industrieländer, uns für die Folgen des Klimawandels zu kompensieren. Passiert ist so gut wie nichts. Wir hoffen, dass Durban anders wird", sagt Stop-Sahel-Klimaexperte Kamissoko.

Noch bekommen die Kinder von Bauer Modibo Keita jeden Tag etwas zu essen. Doch wenn er an seinem verdörrten Hirsefeld vorbeigeht, denkt er oft darüber nach, wie er seinen Töchtern und Söhnen erklären soll, dass es vielleicht bald nichts mehr gibt.