Der von der Jury zum Siegerprojekt gekürte Entwurf des österreichischen Architektenteams Winkler + Ruck aus Klagenfurt und Ferdinand Certov aus Graz für das "Wien Museum neu" darf im Rahmen der Ausschreibungsbedingungen als gelungen, ja sogar als außerordentlich ansprechend betrachtet werden. Beim Rundgang durch die Ausstellung, in welcher 274 eingereichte Projekte aus 26 Ländern präsentiert werden, fällt sogleich auf, dass er zu den behutsamsten Umgestaltungsvarianten zählt.
Der so dringend benötigte Raum für Sonderausstellungen ist hier in einfacher Weise als Dachaufbau realisiert – gewissermaßen als "Deckel", wie sich die Projektverfasser metaphorisch ausdrückten, der indes nicht "aufgesetzt", sondern "angehoben" und "geöffnet" wirken solle. "Eine besondere Rolle spielt der Raum zwischen dem Altbau und dem darüber liegenden Neubau", wie aus der Begründung des Preisgerichts hervorgeht. Jener Zwischenraum sei als "transparente Fuge" inszeniert. "Diese symbolische und gestalterische Geste" sei "die große kompositorische Qualität des Beitrags".
Der als "Wien-Raum" bezeichnete Bereich zwischen dem historischen Baubestand und dem eigentlichen Dachaufbau soll als Aussichtsterrasse und Veranstaltungslocation genützt werden, auch eine kulinarische Nutzung ist vorgesehen. Diese Ebene soll ohne Eintritt über einen Lift zugänglich gemacht werden – eine überaus sinnvolle Maßnahme, die dazu verhilft, dass auch andere Personen als Stammbesucher des Museums angezogen werden.
In die engere Auswahl schafften es auch Entwürfe mit vergleichsweise mutigen Akzenten. Zu ihnen zählt das wunderbare Projekt der Querkraft Architekten aus Wien, welches eine Überwölbung des bestehenden Haerdtl-Baus durch eine phantastische Hochhauskonstruktion vorgesehen hätte. Jedoch wäre die letztendliche Umsetzung einer solchen Idee in Wien (wie die Erfahrung bei anderen Projekten gezeigt hat) gewiss um einiges schwieriger zu bewerkstelligen gewesen als dies im Falle des Siegerprojekts zu erwarten ist.
Reizvolles Denkmodell
Rückblickend ist kritisch anzumerken, dass das Projekt "Wien Museum neu" in den vergangenen Jahren weder vom Wiener Feuilleton noch von den universitären Historikern in gebührender Weise diskutiert wurde. Eine seriös vorgebrachte Infragestellung der Schutzwürdigkeit des von Oswald Haerdtl in der Nachkriegszeit mit äußerst eingeschränkten Mitteln errichteten Baus blieb ebenso aus wie eine Diskussion über die Sinnhaftigkeit eines Neubaus am Karlsplatz sowie über einen allenfalls zu betreibenden Ankauf und Abriss des von der Winterthur-Versicherung genutzten (und ungeziemend an die Karlskirche heranreichenden, unattraktiven) Nachbargebäudes. Reizvoll hätte sich im Zusammenhang damit (zumindest als Denkmodell) eine Diskussion über die Realisierung der vorliegenden Pläne von Otto Wagner für diesen Bereich erweisen können, zumal damit international für beträchtliches Aufsehen hätte gesorgt werden können. Im Falle einer Umsetzung des Wagner-Entwurfs (allenfalls auch in modifizierter Form) wäre Wien freilich mit nachhaltigem Nutzen um eine herausragende Sehenswürdigkeit bereichert worden.
Als positiv ist schließlich noch zum endgültigen Projekt zu vermerken, dass die Bevölkerung im Zuge des Umsetzungsprozesses eingeladen ist, Vorschläge zu unterbreiten, die in weitere Planungen einfließen können. Ideen werden in einer Dialogbox bei einem Infopoint des Museums gesammelt.
Print-Artikel erschienen am 21. Jänner 2016
in der Kolumne "Museumsstücke"
In: "Wiener Zeitung", Beilage "ProgrammPunkte", S. 7