Rio de Janeiro. Es war das größte natur- und völkerkundliche Museum Lateinamerikas. Nun ist es vernichtet: Das brasilianische Nationalmuseum in Rio de Janeiro fing am Sonntagabend nach der Schließung aus ungeklärten Gründen Feuer und brannte nieder. Stundenlang loderten riesige Flammendome über dem Museum in den Nachthimmel Rios. Menschen kamen nicht zu Schaden, aber die Sammlung des Museums mit 20 Millionen Ausstellungsstücken scheint komplett verloren zu sein.
Es ist einer der tragischsten Verluste für die Geschichts- und Naturwissenschaft Lateinamerikas und Brasiliens. Marina Silva, Kandidatin für die Präsidentschaftswahlen im Oktober, sagte, dass der Brand wie eine "Lobotomie" sei.
Das Museum einer Nation
Die Sammlung des Museu Nacional beinhaltete Stücke, die von Dom Pedro I., dem ersten portugiesischen König Brasiliens, ins Land gebracht worden waren. Es gab die größte Sammlung ägyptischer Mumien Lateinamerikas zu sehen, griechische Artefakte, das mit 12.000 Jahren älteste menschliche Fossil ganz Amerikas, das den Namen "Luiza" trug. Bei Kindern beliebt war die Ausstellung mit den Dinosaurierskeletten. Auch eine enorme Sammlung mit Insekten gab es. Ebenso gehörte ein Meteorit zur ständigen Ausstellung. Er war 1784 gefunden worden und überstand den Brand unbeschadet.
Untergebracht war das Museum im São-Cristóvão-Palast inmitten des Stadtparks Quinta de Boa Vista. Der Bau des Palastes war 1803 begonnen und 1862 fertiggestellt worden. Das Gebäude war historisch bedeutend, weil es der brasilianischen Königsfamilie als erste Residenz gedient hatte. Nach dem Ende der Monarchie beherbergte es die erste Verfassungsversammlung der brasilianischen Republik 1891. Ein Jahr darauf wurde es als Nationalmuseum Brasiliens eingeweiht.
Brasiliens Präsident Michel Temer twitterte, dass die Größe des Verlusts für Brasilien noch gar nicht abzusehen sei. Allerdings war es seine Regierung, die das Kulturbudget Brasiliens zuletzt stark beschnitten hatte. Auch deswegen sprachen viele noch in der Nacht auf Montag von einer "Tragödie mit Ankündigung".
Vor dem brennenden Museum sammelten sich in der Nacht Schaulustige und zahlreiche Angestellte des Museums. Viele von ihnen brachen beim Anblick der Flammen in Tränen aus, einige wollten in den brennenden Bau eindringen, um zu retten, was zu retten ist. Sie wurden von der Polizei daran gehindert.
Vizedirektor Luiz Duarte beklagte, dass verschiedene Regierungen das Museum in den letzten Jahren verfallen ließen. Zum 200-jährigen Gründungstag des Museums im Juni war nicht ein einziger Minister erschienen.
Tatsächlich kann man den Brand als Metapher für den katastrophalen Zustand der öffentlichen Einrichtungen Brasiliens sehen. Das Land leidet seit 2012 unter einer schweren Wirtschaftskrise mit zwölf Millionen Arbeitslosen. Die Regierung hat deswegen die Ausgaben für Kultur und Soziales stark eingeschränkt.
Kulturausgaben gekürzt
Beim Nationalmuseum betrafen die Kürzungen sogar das Budget für die Gebäudeinstandhaltung. Mehrfach musste das Museum schließen, weil die Löhne für das Reinigungs- und Aufsichtspersonal nicht gezahlt wurden. Wer das Museum betrat, konnte die Vernachlässigung sehen. Termiten hatten sich in der hölzernen Struktur eingenistet, der Putz bröckelte, Kabel verliefen offen entlang der Wände. Es war erkennbar, dass die Regeln zum Brandschutz nicht eingehalten wurden.
Der schlechte Zustand der öffentlichen Infrastruktur Brasiliens behinderte auch die Löscharbeiten. Offenbar konnten die Feuerwehrleute erst lange nach ihrem Eintreffen mit der Arbeit beginnen, weil die Hydranten in nächster Nähe des Museums kein Wasser führten. Offenbar waren auch nicht ausreichend Feuerwehrleute vor Ort. Das Feuer fand eine Menge Holz, Dokumente und ausgestopfte Tiere, die ihm Nahrung lieferten. Die Feuerwehr hatte den Brand, der gegen 19 Uhr begonnen hatte, erst um 3 Uhr morgens unter Kontrolle. Ob das Gebäude gerettet werden kann, war am Montagmorgen nicht klar.
Rio de Janeiros Bürgermeister Marcelo Crivela sagte, dass "ganz Brasilien" versagt habe, allerdings kämen Feuer vor. Er versprach die Rekonstruktion des Gebäudes.