Am kommenden Wochenende werden in Österreich die ersten Vorratsdaten gespeichert. Die Telefon- und Internetverbindungsdaten aller Bürger sowie deren Bewegungsprofile werden künftig für sechs Monate "verdachtsunabhängig" aufbewahrt. Schon im Vorfeld scheidet das Projekt die Geister. Netz-Aktivisten bis hin zu Anonymous haben Widerstand angekündigt. Die FPÖ will eine Verfassungsklage einbringen.

Die Vorratsdatenspeicherung normiert, welche Kommunikationsdaten wie lange aufgehoben werden und unter welchen Bedingungen die Ermittlungsbehörden auf das Datenmaterial zugreifen dürfen. Basis ist eine entsprechende EU-Richtlinie, die 2006 im Namen der Terror-Bekämpfung verabschiedet wurde. Österreich hat die Umsetzung lange hinausgezögert und wurde deshalb auch schon von der EU gerügt. Die deutsche Regierung war deutlich schneller, aber das deutsche Bundesverfassungsgesetz hat die Vorschriften zur Vorratsdatenspeicherung mittlerweile für verfassungswidrig erklärt und außer Kraft gesetzt. Nun herrscht ein politisches Patt in der Berliner Koalition, denn die FDP will die Vorratsdatenspeicherung in der aktuell von der EU-Kommission präferierten Form nicht wieder einführen. Die Kommission hat bereits mit einer Klage gedroht.


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Verräterisches Handy
Bürgerinitiative "Stoppt die Vorratsdatenspeicherung" auf der Parlaments-Homepage
zeichnemit.at
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Wie sich die Vorratsdaten-Speicherung auswirkt, hat die "Zeit" in einer vielbeachteten interaktiven Grafik dargestellt. Anhand der Verbindungsdaten des Grünen Malte Spitz wurde ein fast lückenloses Bewegungsprofil geschaffen. Solche Aussichten beflügeln die Kritik von Organisationen wie der "Initiative für Netzfreiheit": "Damit wird das Handy zur Wanze und kann mit einer elektronischen Fußfessel für alle Bürger gleichgesetzt werden, gleich, ob unbescholten oder nicht. Und die Steuerzahler dürfen auch noch für ihre eigene Überwachung bezahlen", sagt deren Sprecher Josef Irnberger.

Die Vorratsdatenspeicherung stellt aus Sicht der Kritiker de facto das Ende eines der wichtigsten Grundsätze unseres Rechtsstaates dar: der Unschuldsvermutung. Auch eine vom deutschen Max Planck Institut durchgeführte, wenngleich auch nicht unumstrittene Studie ist Wasser auf die Mühlen der Kritiker: Die Statistik zeigt, dass die Vorratsdatenspeicherung kaum Einfluss auf die Aufklärungsrate hat.

Im Innen- und Justizressort sieht man das naturgemäß anders. Und Beamte beider Ministerien beteuerten in einem Hintergrundgespräch vor Journalisten, dass die Kommunikationsdaten der Bevölkerung bestmöglich vor Missbrauch geschützt seien.

Friedrich König, Abteilungsleiter für Strafverfahrensrecht im Justizministerium, sieht die sechsmonatige Speicherung von Kommunikationsdaten als "essenziell" für Ermittlungen an. Und er sieht sogar einen juristischen Fortschritt: Betreiber würden alle diese Daten für Rechnungszwecke schon jetzt speichern, aber bisher ohne klare Regelung. Künftig müssen die Vorratsdaten nach sechs Monaten verpflichtend gelöscht werden. Ein Zugriff der Justiz darauf erfolge nur mit gerichtlicher Bewilligung und werde genau protokolliert.

Die im Innenministerium für Rechtsangelegenheiten und Datenschutz zuständige Verena Weiss verspricht, dass die Exekutive nur bei akuter Gefahr für Leben, Gesundheit und die Freiheit eines Menschen auf Kommunikationsdaten zugreifen würde. Die Rechte von Betroffenen sieht man durch den Rechtsschutzbeauftragten gewahrt. Auch eine Information der Betroffenen ist vorgesehen, unterliegt allerdings Einschränkungen.

Betroffen sind alle Kommunkationsvorgänge, für die man Telefon, Handy, E-Mail oder Internet benutzt. Neben den Stammdaten (Name und Adresse des Benutzers) werden auch Handy- und Telefonnummern, IP-  und E-Mail-Adressen gespeichert. Auch Geräte-Identifikationsnummern von Mobiltelefonen und Standortdaten werden aufgezeichnet. Auf all diese Informationen können die Ermittlungsbehörden grundsätzlich zugreifen - je nach Verdachtslage und Art der Daten gibt es bestimmte Einschränkungen.

Jedenfalls wird man die Einführung der Vorratsdatenspeicherung im Straßenbild bemerken: Die Initiative für Netzfreiheit fordert zur Teilnahme an "Trauermärschen" am 31. März in Wien, Linz, Innsbruck und Salzburg auf.