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Die moralischen Grenzen

Von Alexia Weiss

Das Überschreiten moralischer Grenzen: Schönbrunn im Jahr 1938.
© Corbis

Lernen aus der Vergangenheit: Das ist der Subtext vieler Gedenkinitiativen, die sich heuer der Erinnerung an die Novemberpogrome vor 75 Jahren widmen. Und so hält auch Nationalratspräsidentin Barbara Prammer in einer vom Parlament herausgegebenen Broschüre, die alle Veranstaltungen gebündelt präsentiert, fest: "Auch heute gilt es, stets wachsam zu sein und das Überschreiten moralischer Grenzen genau zu beobachten."

Die Bandbreite der Gedenkveranstaltungen reicht von Theaterproduktionen und Ausstellungen über Kunstprojekte und Lesungen bis hin zu Vorträgen. Ebenso unterschiedlich sind die Perspektiven: Die nachbarschaftliche Spurensuche (etwa in Hietzing) ist ebenso vertreten wie der Blick auf die Schoa in ihrer Gesamtheit. "Der Holocaust in Europa" ist der Titel einer Gedenkausstellung, die von 5. November bis 27. Jänner, dem Internationalen Holocaust Gedenktag, im Theater Nestroyhof Hamakom zu sehen ist. Im Anschluss tourt die Schau durch Schulen in ganz Österreich.

Die vom Mémorial de la Shoah in Paris zusammengestellte Ausstellung vermittelt die Geschichte der Vernichtung des europäischen Judentums von den Anfängen des rassistischen Antisemitismus bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs und wendet sich vor allem an Schulklassen. Ergänzend dazu hat ein Team der Österreichischen Akademie der Wissenschaften rund um Eleonore Lappin-Eppel vom Institut für Kulturwissenschaften einen Österreich-Teil entwickelt.

"Um die Vergleichbarkeit der beiden Ausstellungsteile zu gewährleisten, mussten wir uns an das französische Konzept halten", erklärte Lappin-Eppel gegenüber dem "Wiener Journal". Dieses besteht aus fünf Teilen: Entwicklung der jüdischen Gemeinden bis zum "Anschluss" – "Anschluss" und Novemberpogrom – Flucht, Vertreibung und Deportation – Mauthausen – Nach der Schoa.

"Die Schoa war das Endprodukt politischer und gesellschaftlicher Entwicklungen. Es gilt, die Schülerinnen und Schüler dafür zu sensibilisieren, solche negativen Entwicklungen wie Antisemitismus und andere Vorurteile gegen bestimmte Bevölkerungsgruppen (‚Zigeuner‘, Farbige, Ausländer) zu erkennen und rechtzeitig vorzubeugen", so Lappin-Eppel. Durch die beiden Teile – Holocaust in Europa sowie in Österreich – würden in der Schau die Parallelen, aber eben auch die Unterschiede deutlich.

Unterstützt wird dieses Ausstellungsprojekt von erinnern.at , einem Verein, der sich im Auftrag des Unterrichtsministeriums um eine Auseinandersetzung mit der NS-Zeit an Österreichs Schulen bemüht. Martina Maschke, die Obfrau von "erinnern.at", sieht in dieser Überblicksschau einen wichtigen Mosaikstein für die Bewusstseinsarbeit, die seit Jahren an Schulen geleistet werde. Ihr geht es um "eine adäquate und respektvolle Auseinandersetzung" mit dem Thema. Klar werde hier: Der Holocaust sei eben nicht von heute auf morgen gekommen. Hier gelte es, Jugendliche entsprechend zu sensibilisieren, wachsam zu sein.

Eine andere Schau – betitelt "Geschichten Schoahüberlebender – Schule + Möglichkeiten des Erinnerns" – wurde von zwei siebenten Klassen aus Wien (der AHS Rahlgasse sowie des jüdischen Zwi Perez Chajes- Gymnasiums) erarbeitet. Sie ist von 7. bis 28. November im Foyer des Stadtschulrats zu sehen. Die Jugendlichen haben hier gemeinsam über die Geschichte ihrer Schulen sowie einiger Holocaust-Überlebender geforscht. "An der ZPC-Schule waren dies auch teilweise jeweilige Familienmitglieder, deren Geschichten bearbeitet wurden", erläuterte der Direktor des ZPCGymnasiums, Hans Hofer. Dabei entstanden seien Texte, aber auch künstlerische Arbeiten.

Überrascht hat Hofer "die Ernsthaftigkeit der Auseinandersetzung mit diesem tragischen Kapitel über einen langen Zeitraum von nahezu einem Jahr", aber auch die dabei an den Tag gelegte Kreativität. Lernen könnten Schüler aus solch einem Projekt viel: etwa, dass es mehr als eine Opfergruppe gibt, die Schoa verschiedenste Aspekte hat, wie man Geschichte darstellen kann, aber auch, wie man mit der Schoa in der eigenen Familie umgeht.

Um eine Auseinandersetzung mit dem Holocaust im öffentlichen Raum ist "The Vienna Project" von Karen Frostig bemüht. Seit 6. November gibt es mehrere "Memory Zones" auf Wiener Straßen, jeweils sichtbar gemacht durch das Aufsprühen eines Gedichts, zum Beispiel von Robert Schindel.

Veranstaltungen zum Gedenken an die
Novemberpogrome 1938:
www.parlament.gv.at/gedenken_novemberpogrome
www.erinnern.at
www.ahs-rahlgasse.at
www.zpc.at
www.theviennaproject.org