Internationale Medien zählen den Wiener Erzbischof, Christoph Kardinal Schönborn, zu den "papabili", zu den aussichtsreichen Kandidaten für das vakante Amt des Bischofs von Rom. Dafür ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Kardinalskollegium nötig. Fast eine solche in der österreichischen Bevölkerung (bei praktizierenden Katholiken hätte es vielleicht ein wenig anders ausgesehen) vertrat Mitte Februar die gegenteilige Meinung: Nur 34,2 Prozent sprachen sich für Schönborn als Papst aus, 65,8 Prozent dagegen. Das sieht nicht so aus, als ob sich in seiner Heimat nach einer allfälligen Wahl ins höchste Kirchenamt bei der Mehrheit ein "Wir sind Papst"-Gefühl einstellen würde. Aber wie wahrscheinlich ist es, dass Wiens Oberhirte aus dem Konklave als Papst hervorgeht?

Christoph Schönborn, am 22. Jänner 1945 in Skalsko in Böhmen geboren, ist jedenfalls im besten Alter für einen Papstkandidaten und bereits der achte Bischof beziehungsweise der dritte Kardinal aus seinem alten Adelsgeschlecht. Er beherrscht mehrere moderne Fremdsprachen (Englisch, Französisch, Italienisch, Spanisch) und hatte eine glänzende theologische Laufbahn absolviert, ehe er 1991 zum Weihbischof und 1995 zum Erzbischof von Wien ernannt wurde. 1998 nahm ihn Papst Johannes Paul II. in das Kardinalskollegium auf.

Aufgewachsen in Schruns im Montafon - noch heute soll er gelegentlich gerne das Vorarlberger Kartenspiel Jassen betreiben -, trat er 1963 in den Dominikanerorden ein, 1970 wurde er in Wien von Kardinal Franz König zum Priester geweiht. Eines seiner Studienjahre verbrachte er in Regensburg, wo damals Joseph Ratzinger lehrte. Ab 1975 war Schönborn als Professor an der Universität von Freiburg (Schweiz) tätig.

Er kennt die Probleme

Mit Kardinal Ratzinger, dem späteren Papst Benedikt XVI., arbeitete er dann bei der Erstellung des Weltkatechismus eng zusammen. Dass Schönborn ganz auf Ratzingers Linie liegt, kann im Konklave Vorteil oder Nachteil sein, je nachdem, ob die Mehrheit der Kardinäle eine Fortsetzung oder eine Änderung des bisherigen Kirchenkurses befürwortet.

Der meist freundlich und dialogbereit auftretende Kardinal ist kein abgehobener Kirchenfürst, er kennt die Probleme der Kirche und der Menschen. Selbst aus einer gescheiterten Ehe stammend, fand er 2004 beim Trauerakt für Bundespräsident Thomas Klestil, der bekanntlich zweimal verheiratet war, passende Worte. Schönborn setzt sich auch intensiv mit der Welt der Kultur - sein jüngerer Bruder Michael ist Schauspieler - und Fragen der Wissenschaft auseinander. Mit seinem 2005 in der "New York Times" veröffentlichten Aufsatz "Finding Design in Nature", in dem Schönborn den Neodarwinismus kritisierte und einen göttlichen Plan in der Evolution propagierte, stieß er auf heftige Kritik, worauf er versuchte, seine Position zu präzisieren und wissenschaftlich weniger angreifbar zu machen.

Hardlinern zu schwach

Dass er in den von Reformern am häufigsten angesprochenen Fragen (Zölibat, Frauenweihe, Empfängnisverhütung) ganz auf traditioneller Linie liegt, steht außer Zweifel. Und er sieht die kirchliche Zukunft in Europa eher in kleinen engagierten Gemeinschaften - er setzt auf Bewegungen wie das Neokatechumenat oder "Emmanuel" - als in den bisherigen Pfarrstrukturen, das hat sein Strukturreformplan für die Erzdiözese Wien deutlich gemacht.

Was Schönborns Chancen im Konklave einschränkt, ist nicht nur, dass zwei deutschsprachige Päpste hintereinander sehr ungewöhnlich wären, sondern dass ihm die Hardliner in der Kirche Führungsschwäche vorwerfen. Sie können nicht verstehen, dass er gegen Kritiker wie die "Pfarrerinitiative" nicht mit harten Sanktionen vorgeht, dass er einen bekennenden Homosexuellen in einem Pfarrgemeinderat duldet, dass er öffentlich Kardinaldekan Angelo Sodano, aber auch die Ernennung von Gerhard Maria Wagner zum Weihbischof von Linz kritisiert hat. Deshalb ist Schönborns Wahl sehr unwahrscheinlich, obwohl er bei den englischen Buchmachern unter den Top Ten aufscheint. Aus seiner gläubigen Sicht hat Gott den nächsten Papst schon erwählt, Aufgabe der Kardinäle sei es schlicht, diesen im Konklave herauszufinden.

Vom Amt des Erzbischofs von Wien hat er mit seiner Abreise nach Rom, das er sehr liebt, vielleicht in jedem Fall schon halb Abschied genommen. Christoph Kardinal Schönborn könnte ein Platz im Team des nächsten Papstes winken - die Leitung einer Kurienbehörde im Vatikan.