Vatikanstadt. Im Vatikan hat am Montag die letzte Generalkongregation vor Beginn des Konklaves zur Wahl des nächsten Papstes begonnen. Die Beratungen der Kardinäle, zu denen auch die 115 Papst-Wähler gehören, fanden hinter verschlossenen Türen in der Synodenaula statt und wurden von Kardinaldekan Angelo Sodano geleitet. Dabei wurde über anfallende Amtsgeschäfte der Kirche und über das bevorstehende Konklave diskutiert. Die Generalkongregationen hatten vor einer Woche begonnen.

Nach wochenlangen heftigen Spekulationen über den neuen Papst herrscht vor Konklavebeginn Ratlosigkeit in Rom. Die Entscheidung über den neuen Papst sei vollkommen offen, hört man aus Kirchenkreisen. Nachdem die "Vaticanisti" seit der überraschenden Rücktrittsankündigung von Benedikt XVI. am 11. Februar täglich ein neues Szenario mit möglichen Nachfolgern Benedikts präsentiert hatten, überwiegen jetzt die Zweifel an jeglicher Prognose. Den "Vaticanisti", jenen Journalisten, die sich ausschließlich mit dem Vatikan beschäftigen, ist nicht zuletzt wegen des Interview-Moratoriums der Kardinäle die Luft ausgegangen.

Als Favorit geht nach Mediengerüchten der Mailänder Erzbischof Angelo Scola ins Konklave. Laut der römischen Tageszeitung "La Repubblica" kann er bisher mit 40 Stimmen rechnen. Vor allem ausländische Papst-Wähler, darunter der Wiener Erzbischof Kardinal Christoph Schönborn, unterstützen Medienangaben zufolge Scolas Kandidatur. Der 71-Jährige genießt wegen seiner pastoralen Erfahrung unter den Papst-Wählern breiten Respekt. Als Garant für Kompetenz, Klarheit und Transparenz und offenbar auch dank der Unterstützung einiger "grandi elettori" (große Papst-Wähler) werden ihm in Berichten zwischen 30 und 50 Stimmen zugeschrieben. Als möglicher Gegenpart aus dem veränderungsbereiten Lager wird jedoch immer wieder auch der US-Kardinal Sean O'Malley genannt.

Außenseiter aus Honduras

Chancen werden ebenfalls dem aus Honduras stammenden Kardinal Oscar Andres Rodriguez Maradiaga eingeräumt, der als aufgehender Stern der lateinamerikanischen Kirche gefeiert wird. Der polyglotte Kleriker, der nach seinem Psychotherapie-Studium in Innsbruck ein passables Deutsch spricht, ist ein scharfer Kritiker der Auswirkungen der Globalisierung. Fraglich ist jedoch, ob er das für die Papst-Wahl notwendige Zweidrittel-Quorum von 77 Stimmen erreichen wird.

Die Befürworter einer strikten Kontinuität Roms betrachten wiederum den Brasilianer Odilo Scherer als ihren Favoriten. Der Erzbischof von Sao Paolo hat ein ausgesprochenes Managertalent und sitzt in der Kardinalskommission der Vatikanbank IOR. Von der Kurie unterstützt wird Indiskretionen zufolge auch der Italo-Argentinier Leonardo Sandri, der auf eine lange und erfolgreiche kirchendiplomatische Karriere zurückblicken kann.

Auch Schönborn wird genannt

Am Sonntag schien der Mut zur Spekulation die "Vaticanisti" völlig zu verlassen: Die Blätter präsentierten Listen chancenreicher Kandidaten, unter denen immer wieder auch Schönborn und der ungarische Primas Peter Erdö auftauchten. In gleich mehreren italienischen Medienlisten ist seit einigen Tagen der Name des Kanadiers Marc Ouellet zu finden. Er war viele Jahre Professor in Rom, dann eineinhalb Jahre lang "zweiter Mann" hinter Kardinal Walter Kasper im Päpstlichen Rat für die Einheit der Christen und leitete zwischen 2002 und 2010 die große Erzdiözese Quebec. Auch dem Pariser Erzbischof Andre Vingt-Trois werden Chancen eingeräumt. Allerdings spiegeln die langen Namenslisten eher die Ratlosigkeit der Auguren wider. Und es setzt sich neuerlich die Überzeugung durch, dass die Entscheidung letztlich von der Eigendynamik des Konklaves abhängt.