Rom. Fast 500 Jahre lang wählten die Kardinäle italienische Päpste. Dann folgten 1978 der Pole Karol Wojtyła und 2005 der Deutsche Joseph Ratzinger auf dem Stuhl Petri. Viele italienische Kuriale wünschen sich deshalb wieder einen Italiener als Papst. Favorit unter den 28 italienischen Kardinälen ist Angelo Scola (71), der ehemalige Patriarch von Venedig. Scola, ein Schüler Ratzingers, gilt als intellektuell gewandt und willensstark. Überraschend transferierte Benedikt XVI. seinen konservativen Freund - die beiden kennen einander aus gemeinsamen Tagen bei der Zeitschrift "Communio" in den 1970ern - im Juni 2011 auf den wichtigen Posten des Erzbischofs von Mailand. Seit damals gilt Scola unzweifelhaft als aussichtsreicher Papst-Nachfolgekandidat.

In der Diözese mit den weltweit meisten Gläubigen waren mit den Kardinälen Carlo Maria Martini und Dionigi Tettamanzi davor eher progressive Denker im Amt. Scola hingegen legte sich sofort mit der Stadtverwaltung an, die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften befürwortete. Der Sohn eines Lastwagenfahrers und einer Hausfrau aus der Lombardei kämpft leidenschaftlich gegen den "staatlichen Laizismus, der die Religionsfreiheit beeinträchtigt". Kurios: Als der aufsteigende Mailänder Unternehmer Silvio Berlusconi Ende der 1970er seine Bildungslücken schließen wollte, engagierte er verschiedene Nachhilfelehrer. Einer von ihnen war Angelo Scola.

Ouellet erfüllt alle Kriterien

Wenn die Beschreibung der Qualitäten, die der neue Papst mit sich bringen soll, auf einen Kandidaten ganz besonders zutrifft, dann auf Marc Ouellet. Der Kanadier aus Quebec ist mit 68 Jahren ein vergleichsweise junger Kandidat, macht einen kräftigen, durchsetzungsstarken und charismatischen Eindruck. Während Ouellet in der Öffentlichkeit lange relativ unbekannt war, ist er in der Kurie besonders geschätzt. Seit 2010 ist er Präfekt der Bischofskongregation, einer der wichtigsten Posten im Vatikan. Stets werden neue Bischöfe ernannt, die Entscheidung liegt beim Papst, doch Ouellet ist die entscheidende Schnittstelle bei den Nominierungen und bewies Führungsqualitäten, nicht zuletzt, weil er sechs Sprachen spricht, darunter Deutsch.

Er war einer der wenigen, die zuletzt einen direkten Draht zu Benedikt XVI. hatten. Seine theologischen Fähigkeiten zeigte Ouellet zwischen 1996 und 2002 als Ordinarius an der Lateran-Universität. Der Kanadier, der früher Eishockey spielte, liegt theologisch und dogmatisch auf einer Linie mit Joseph Ratzinger. Zwar könnte er der Mann sein, der die Kurie wieder eint, ein progressives Pontifikat wäre unter ihm aber keineswegs zu erwarten.

Als die Kardinäle 2005 zum Konklave nach Rom gerufen wurden, irrte einige Tage vor der Wahl Benedikts XVI. zum Papst ein Mann im Talar am Bahnhof Termini herum auf der Suche nach einem Taxi. Der Wiener Kardinal Christoph Schönborn war mit dem Nachtzug aus Österreich angereist.

Schönborns Bescheidenheit

Manchen Beobachtern kam diese Bescheidenheit seltsam vor angesichts des Brimboriums, das andere Purpurträger um sich machen. Der 68-jährige Dominikaner Schönborn hat Chancen auf die Papst-Nachfolge, weil er als unkonventionell gilt und als Mittler zwischen progressiven und konservativen Kräften in der Kirche wirken könnte. Seine Fähigkeit zur Selbstkritik hat Schönborn bei vielen Gläubigen und Kardinälen Kredit gebracht. So musste sich auch Kardinaldekan Angelo Sodano heftig von Schönborn kritisieren lassen, weil er 15 Jahre lang die Bildung einer Kommission zur Aufklärung von Missbrauchsfällen behindert habe.

Ravasi, der Manager

Natürlich haben auch andere Kandidaten Chancen. Als einer der besten Manager in der Kurie gilt der 70 Jahre alte Kurienkardinal Gianfranco Ravasi. Vor allem seine Aufgeschlossenheit gegenüber den Medien macht ihn zu einer modernen Lösung. Ravasi, Präsident des Päpstlichen Kulturrates, ist sprachgewandt und hat bisher als einer von wenigen Kardinälen getwittert. Kürzlich äußerte er sich beeindruckt von den "tiefen und verstörenden" Songs der verstorbenen Sängerin Amy Winehouse. Benedikt XVI. wählte den Bibelkenner aus, die vatikanischen Fastenexerzitien zu leiten.

Tagles Jugend als Handicap?

Eine weitere interessante Person ist der philippinische Erzbischof von Manila, Luis Antonio Tagle. Mit nur 55 Jahren ist er einer der jüngsten Kardinäle, vielleicht ist das aber auch sein Handicap, denn zu erwarten wäre ein langes Pontifikat. Tagle gilt als Mann mit großem Charisma und konservativen Positionen, im September 2012 ernannte ihn Benedikt XVI. zu einem der Synodenväter, zwei Monate später wurde Tagle Kardinal und war so gerührt, dass ihn der Papst trösten musste.

Bergoglios zweiter Anlauf

Bereits 2005 wurden dem Argentinier Jorge Mario Bergoglio Chancen eingeräumt, er soll im Konklave 40 von 115 Stimmen erhalten haben. Der Jesuit und Erzbischof von Buenos Aires könnte verschiedene Strömungen ausbalancieren. Allerdings ist er mittlerweile 76 Jahre alt. "Papabili" aus Lateinamerika sind auch Kurienkardinal Leonardo Sandri aus Argentinien und der deutschstämmige Brasilianer Odilo Pedro Scherer. Die große Mehrheit der Katholiken lebt auf der Südhalbkugel.