Wien. Nachdem durch den Bericht der "Wiener Zeitung" bekannt wurde, dass das Pentagon in österreichische Forschung investiert, wirft das etliche Fragen auf. Allen voran: Welche Strategie verfolgt das US-Militär damit? Erste Aufschlüsse darüber geben der "Wiener Zeitung" vorliegende Strategiepapiere, in denen auch Österreich Erwähnung findet. Konkret heißt es in dem Papier des Forschungsinstituts der US-Luftwaffe (Air Force Research Laboratory, AFRL): Österreich sei im Bereich der Quantentechnologie interessant und es gäbe "immense Vorteile durch europäische Wissenschaftszentren".
Quantencomputer und -optik militärisch interessant
Und während die österreichischen Hochschulen betonen, sie würden lediglich im Bereich der Grundlagenforschung arbeiten und keine Rüstungsforschung betreiben, sagt Wolfgang Liebert, Leiter des Instituts für Sicherheits- und Risikowissenschaften an der Universität für Bodenkultur: "Im Bereich der Quantencomputer und -optik weiß man, dass es militärische Interessen gibt." Er ortet in diesem Feld starke "Dual-Use-Forschung", bei der militärische Forschung immer auch zivile Zwecke bedient und umgekehrt. Der Fridedensforscher betont aber auch, dass in der Dual-Use-Forschung "bewusst Grauzonen geschaffen werden."
In dem Pentagon-Paper heißt es weiter, Österreich gehöre zu jenen 20 Ländern, mit denen die US-Luftwaffe Verträge zum Daten- und Informationsaustausch hat. Denn das US-Militär fördert nicht nur Forschungsprojekte, sondern finanziert auch Tagungen und bezahlt Reisekosten. Beispielsweise wurden österreichische Wissenschafter der öffentlichen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) auf Pentagon-Kosten zu Vernetzungstreffen in die USA eingeflogen, wie auch die ÖAW auf Anfrage der "Wiener Zeitung" bestätigt. Die viel diskutierte Grundlagenforschung wird in dem Pentagon-Paper ebenfalls erwähnt: Aufgabe des AFRL sei es, der US-Luftwaffe "Strategie, Bewusstsein, und Zugang zu Grundlagenforschung und -technologie" zu verschaffen.
Pentagon will "Vorreiterrolle bei Grundlagenforschung"
"Um technologische Überraschungen zu vermeiden, ist es wichtig, dass das Pentagon eine Vorreiterrolle in der Grundlagenforschung in ihren Interessensgebieten übernimmt, in den USA und in Übersee", heißt es in einem weiteren Papier, und in dem AFRL-Paper aus dem Jahr 2013 wird empfohlen, den Anteil an der Grundlagenforschung bis zum Jahr 2014 von 2,5 auf 5 Prozent zu steigern.
Dass das US-Militär international forschen lässt, ist nicht neu, doch es setzt immer stärker auf Internationalität. Obwohl die Zahl der Publikationen in den USA zurück geht, konnten die wissenschaftlichen Artikel innerhalb von zehn Jahren um 41 Prozent gesteigert werden - und zwar indem die USA in Europa und Asien forschen ließen, im Jahr 2010 wurden insgesamt fast 900.000 wissenschaftliche Artikel publiziert.
In Österreich geht die politische Debatte um Drittmittel indes weiter: Es müsse unter Transparenz- und Ethikaspekten mit den Hochschulen und Forschungseinrichtungen diskutiert werden, sagt ÖVP-Wissenschaftssprecher Karlheinz Töchterle. Wie die Österreichische Hochschülerschaft (ÖH), die Universitätenkonferenz und andere Politiker verlangt er "größtmögliche Transparenz" und eine "der Grundlagenforschung gerecht werdende Unabhängigkeit". Töchterle spricht sich aber auch dafür aus, Forscher und Hochschulen nicht voreilig zu verurteilen. Auch der Rüstungskritiker Wolfgang Liebert findet es wichtig, "die Forscher nicht in die Büß-Ecke zu stellen". In Deutschland habe die Diskussion zu radikalen Positionen auf beiden Seiten geführt: "Die einen sagen, was militärisch relevant sein könnte, darf nicht erforscht werden, die anderen berufen sich auf die Freiheit der Forschung und machen, was sie wollen." Um eine Diskussion zu ermöglichen, müsste man sich in der Mitte bewegen, sagt Liebert.