Washington/Wien. Sieger sehen anders aus. Nachdem niemand den USA nach dem Kollaps des Kommunismus 1989 die Führungsrolle streitig gemacht hat, sind die Vereinigten Staaten dreißig Jahre später drauf und dran, sämtliche außenpolitischen Trümpfe zu verspielen. Und das in einem atemberaubenden Tempo.
Maßgeblich an dieser Entwicklung beteiligt ist ein Mann namens Donald Trump. Ein Jahr ist er jetzt US-Präsident, und in dieser Zeit hat sich der latente Bedeutungsverlust der USA etwa im Nahen und Mittleren Osten beschleunigt. Nach Trumps Entscheidung, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen, ist es mit der Vermittlerrolle Washingtons in der Region für lange Zeit vorbei. Die Idee des früheren Immobilien-Hais sei die "Ohrfeige des Jahrhunderts" für den Friedensprozess, meinte zuletzt Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas. Nicht nur bei den Muslimen weltweit stieß die Entscheidung auf heftige Kritik.
Trump tritt Freund und Feind gegen das Schienbein
Doch Trump brachte das Kunststück fertig, zeitgleich mit den Palästinensern auch Israels rechtskonservativen Präsidenten Benjamin Netanjahu vor den Kopf zu stoßen. Der frohlockte zunächst, schien doch ein lang gehegter Wunsch in Erfüllung zu gehen. Als der Israeli ankündigte, dass die US-Botschaft spätestens Anfang nächsten Jahres in Jerusalem eröffnen werde, wurde er barsch von Trump zurückgepfiffen. "Die Antwort ist nein", richtete er Netanjahu aus. Das Zähneknirschen des Israeli war weithin vernehmbar.
Trumps Außenpolitik: Der Eindruck, dass hier völlig unkoordiniert ein Elefant im Porzellanladen wütet, hat sich von einer Annahme zur Gewissheit verdichtet. Schon bei der Inaugurationsrede am 20. Jänner 2017 in Washington war klar, dass der neue Mann im Weißen Haus nicht daran denkt, vom Wahlkampf- in den Präsidentenmodus zu wechseln.
Trumps außenpolitische Initiativen sorgen seitdem für betretenes Schweigen, Kopfschütteln, Angst und Ärger. Sei es, dass er vor der UN-Vollversammlung Nordkorea mit völliger Vernichtung droht, einer britischen Islam-Hasserin via Twitter applaudiert, das Atomabkommen mit dem Iran aufheben will oder der französischen Präsidentengattin bescheinigt, für ihr Alter gut in Schuss zu sein.
Die Folge ist, dass sich die USA außenpolitisch immer stärker isolieren, bei entscheidenden Konflikten und drängenden politischen Fragen zunehmend nicht mehr mitmischen. So im Syrien-Krieg. Knapp nach seiner Amtsübernahme ließ Trump Flughäfen der Armee Bashar al-Assads mit Tomahawk-Raketen beschießen. Auslöser waren Berichte, wonach die syrische Armee Zivilisten mit Giftgas bombardiert und Kinder getötet hätte. Die Wirkung der von Trump befohlenen Militäraktion war äußerst begrenzt. Was aber viel schwerer wiegt: Zu einer maßgeblichen politischen oder militärischen Initiative ist es seither von Seiten Washingtons nicht mehr gekommen.