Die Südstaaten der USA sind bekanntlich ein üppiges literarisches Biotop. Doch das, was in Tennessee Williams "Katze auf dem heißen Blechdach" passiert, ist nicht auf die Umgebung von Memphis beschränkt. Gelogen wird in den meisten Familien rund um den Globus, bösartig und gierig ist man in vielen Familien rund um den Globus. Dass sich ein reinigendes Gewitter aber in den Südstaaten pittoresker entlädt, kann man bei der Premiere des Stücks bei den Reichenauer Festspielen nun auch nicht sagen: Da blitzte und donnerte es nämlich drinnen wie draußen.
In Beverly Blankenships Inszenierung wird das Allgemeingültige aus Williams Stück zugunsten einer musealen Interpretation zurückgedrängt. Radio und Fernseher sind hübsche Fifties-Wohnaccessoires, die Hausmädchen werden von schwarzen Schauspielerinnen dargestellt, an der Decke dreht sich schlapp ein Ventilator. Stefanie Dvorak hat als Maggie ein Marilyn-Monroe-U-Bahnschacht-Kleid an. Mitunter erinnert auch ihr Spiel an die Monroe: in jenen Phasen, in denen sie kindlich-pathetisch ihr Schicksal als Ungeliebte beklagt. Am besten stehen ihr jedoch die fiesen Sätze über ihre Schwägerin, "das Ungeheuer an Fruchtbarkeit". Die Verbindung zwischen den beiden Polen gelingt Dvorak leider nur holprig. Stefan Gorski gibt Brick, den vermeintlich Kryptohomosexuellen, als lethargischen Trinker, der nur darauf wartet, dass ihm der Alkohol das trübe Leben verschleiert. Die Gequältheit nimmt man auch ihm nicht hundertprozentig ab.
Rätselhafter Klamauk
Insgesamt wirken die Schauspieler in dieser Inszenierung ein wenig unsicher platziert. Martin Schwab ist als nichtsahnender, krebskranker Big Daddy rechtschaffen patriarchalisch. Therese Affolter legt ihre Big Mama wiederum - wirklich rätselhaft - mitunter hart an der Grenze zum outrierten Klamauk an. Gooper, Bricks Bruder, wird von Tobias Voigt hölzern advokatisch gespielt, während seine Frau Mae, schrill erbschleicherisch ihren Schwangerschaftsbauch als Pokal unentwegt vor sich her- und der kinderlosen Maggie unter die Nase streckt.
Blankenship gelingt es nur in Ansätzen, das Dilemma von Maggie - immerhin stellt sich die Inszenierung in die Reichenauer Reihe "Frauenschicksale in der Weltliteratur" - herauszuarbeiten. Diese Frau ist einerseits Sexobjekt - sowohl Vater als auch Mutter fragen, ob sie gut im Bett ist! -, will aber andererseits auch ihre Lust befriedigt haben. Das wäre schon bemerkenswert genug für eine Frau im 50er-Jahre-Interieur. Dvorak deklamiert ein wenig zu oft, um die zerbrochene Sinnlichkeit der Maggie spürbar zu machen. Aber in einem Monat Spielzeit ist noch genug Zeit, dass das Ensemble einen geschmeidigen Weg zueinander findet. Das Potenzial wäre ja da bei dermaßen hochkarätigen Akteuren.
Theater
Die Katze auf dem heißen Blechdach
Festspiele Reichenau