Wien. Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) sieht durch das dreimonatige teilweise Aussetzen der Verhandlungen zu einem geplanten Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA eine breite Diskussion ermöglicht. "Die dreimonatigen Konsultationen ermöglichen es, das Thema samt seinen Risiken breit zu diskutieren", hieß es Dienstagnachmittag aus dem Wirtschaftsministerium.
Grundsätzlich tritt Mitterlehner für das Freihandelsabkommen ein, "wenn es die Bedenken in den Nationalstaaten ausreichend berücksichtigt", verlautete aus dem Büro des Ministers. Studien würden zeigen, dass das Abkommen auch für Österreich einen Anstieg des Bruttoinlandsproduktes gewährleisten könne und auch zusätzliche Arbeitsplätze entstehen würden - mit noch dazu leicht gesteigerten Löhnen.
Der Investitionsschutzklausel ähnliche Klauseln - bei denen Unternehmen Staaten klagen können - seien "in fast allen 2.800 weltweiten und 62 österreichischen Investitionsschutzabkommen enthalten". Österreich sei "in den vergangenen Jahrzehnten noch nie wegen einer solchen Klausel geklagt worden. Daher sind wir auch dafür, dass das TTIP Streitschlichtungsregeln beinhaltet", hieß es aus dem Wirtschaftsministerium zur APA.
Konkret sei man für eine solche Klausel, weil es so "zu einer Verbesserung des Investitionsklimas" komme - etwa "zu einer verbesserten Situation von österreichischen Investoren in den USA". Natürlich müsse das geplante Freihandelsabkommen aber Klauseln enthalten, die fixierten, "dass beide Partner Umwelt-, Sicherheits-, Gesundheits- und Lebensstandards weiterhin so regeln können, wie sie es für angebracht halten". Daran ändere sich durch die Investitionsschutzklauseln auch nichts; sie seien nur Teil des geplanten Abkommens. "Auch ein Schiedsgericht, das etwaige Klagen verhandelt, muss sich an das Abkommen insgesamt halten", erinnert Mitterlehner.
Der SPÖ-EU-Abgeordnete Josef Weidenholzer sieht "einen ersten Erfolg" in der teilweisen Aussetzung der Verhandlungen. Wegen der weitrechenden Folgen des Freihandelsabkommens durch die Schaffung gemeinsamer Regulierungsstandards müssten die Bürger "viel stärker einbezogen werden". Er kritisiert den sogenannten Investitionsschutz (ISDS, Investor-to-State Dispute Settlement), "der es Unternehmen ermöglichen soll, Staaten wegen entgangener Verluste vor supranationale Schiedsgerichte zu zitieren", heftig - denn die Demokratie würde so zum Schaden aller Menschen geschwächt. Der Mechanismus habe in einem Abkommen zwischen Staaten mit gesicherten Rechtssystemen "nichts zu suchen" - solche Regelungen seien ursprünglich lediglich dafür entwickelt worden, "um Unternehmen vor Enteignungen in Staaten mit korrupten Gerichten zu schützen".
Die FPÖ mutmaßte, der Druck der EU-Mitgliedstaaten sei vor der EU-Wahl so hoch geworden, "dass selbst die EU-Kommission zum Einlenken bereit war". Die Fraktion befürchtet, dass das Abkommen dazu führen werde, "dass die EU mit Lebensmitteln und Saatgut überschwemmt werde, deren Standards und Grenzwerte die ohnehin niedrigen EU-Standards weiter unterbieten würde", so der FPÖ-Umweltsprecher und Dritte Nationalratspräsident Norbert Hofer in einer Aussendung.
NEOS-LIF-EU-Sprecherin Angelika Mlinar sieht nun Transparenz in die Verhandlungen kommen. "Aber die alleinige Diskussion über die Investitionsschutzklauseln kann nicht ausreichen, das verlorene Vertrauen der Bürger als auch der Mitglieder des EU-Parlaments wieder herzustellen." Daher fordern die NEOS die Offenlegung aller TTIP-Verhandlungskapitel.