Brüssel/Wien. "Etwas hat sich verändert", ist Benedicte Federspiel überzeugt. Die Expertengruppe für das Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA, der sie angehört, sei der Beweis dafür. Diese Gruppe hat die EU-Kommission Anfang der Woche implementiert, um "die Transparenzinitiativen zu ergänzen", wie es heißt. Der Widerstand gegen das Abkommen nimmt in Europa nämlich an Fahrt auf. Ein Hauptgrund dafür ist die Angst vor dem Ungewissen, denn die Verhandlungen unterliegen strikter Geheimhaltung. Werden Chlorhuhn, Hormonfleisch und gentechnisch veränderte Lebensmittel in Europa Einzug halten? Werden Arbeitnehmerrechte und demokratische Beschlüsse durch das Abkommen einfach ausgehebelt? Schwer zu sagen, wenn man nicht weiß, was sich tut. Die 14-köpfige Expertengruppe der Kommission soll nun ein wenig Licht ins Dunkel bringen.

"Die EU-Kommission hat gesehen, was passieren kann, wenn man geheim verhandelt: Das EU-Parlament hat Acta (ein geplantes Abkommen zu Urheberrechtsverletzungen, Anm.) einfach gekippt, weil es die Vorgehensweise nicht goutiert hat", erklärt Federspiel. So etwas will die Kommission bei TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership, wie das Freihandelsabkommen heißt) verhindern. Doch dass sich durch die Expertengruppe irgendetwas an Transparenz oder der Wahrnehmung der Wünschen der Zivilgesellschaft ändern wird, daran hegt man sogar innerhalb des Teams Zweifel.

"Ich glaube, die Gruppe wird nicht viel zu sagen haben", meint Ulrich Eckelmann ein weiteres Mitglied des Expertenteams. Er ist Generalsekretär des europäischen Gewerkschaftsverbands Industriall. "Es ist überhaupt relativ nebulös, zu welchen Themen wir denn Ratschläge erteilen sollen." Ebenso undurchsichtig ist für ihn, was für Informationen die Gruppe letztlich erhalten wird. Das sei lediglich sehr abstrakt diskutiert worden. "Die Rahmenbedingungen sollen relativ restriktiv sein. Wir werden wohl nur das erfahren, was auch öffentlich diskutiert wird und keinen Zugang zu Dokumenten bekommen. Die Kommission wird uns somit nur Informationen aus zweiter Hand zukommen lassen."

Zusätzlich besagen die Richtlinien der Expertengruppe ausdrücklich, dass die Mitglieder zu Geheimhaltung verpflichtet sind und Verhandlungsunterlagen, die vertraulich weitergeleitet wurden, auch so zu behandeln sind. Dass sich für die Öffentlichkeit durch die Gruppe irgendetwas an Transparenz ändern wird, scheint unter diesen Umständen mehr als unwahrscheinlich.

USA lehnen Verbreitung ihrer Dokumente ab

Die näheren Gründe für die Geheimhaltung seien in den USA zu suchen, erklärt Pascal Kerneis von der Expertengruppe: "Die Kommission hat ganz klar gesagt, dass die Amerikaner nicht wollen, dass ihre Dokumente verbreitet werden. Das betrifft auch das EU-Parlament, die Mitgliedsstaaten und die Experten. Die einzigen Dokumente, zu denen wir - vertraulichen - Zugang bekommen, werden lediglich die der Kommission und der EU sein, aber nicht jene der USA." Kerneis ist Direktor des Unternehmensnetzes European Services Forum. Es sieht seine Aufgabe darin, aktiv die Liberalisierung des internationalen Handels im Dienstleistungsbereich zu fördern. Zu seinen Kunden gehören: die Standard Chartered Bank, der Arbeitgeberverband Businesseurope, die Deutsche Telekom, Siemens und Telefónica.

Die USA trauen laut Kerneis dem europäischen System nicht. "Wenn eine Verhandlungsposition öffentlich wird, hat man automatisch eine viel geringere Manövrierfähigkeit. Sie trauen dem europäischen System nicht, weil die Kommission, sobald sie ein Dokument erhält, dieses an die Mitgliedstaaten und das Europäische Parlament weiterleitet. Das ist dann eine Stunde später im Internet." In den USA ist das unvorstellbar. "Auch auf amerikanischer Seite gibt es Expertengruppen wie jene, die die Kommission jetzt ins Leben gerufen hat. Nur mit viel strengeren Auflagen: Die Mitglieder müssen auf die Bibel schwören, und wenn sie ein vertrauliches Dokument weitergeben, werden sie nicht nur auf Lebzeit von der Liste der Lobbyisten in Washington gestrichen, sie werden auch strafrechtlich verfolgt."

Für Benedicte Federspiel ist so etwas unverständlich: "Es ist nicht so, als ob Transparenz unüblich wäre. Die Verhandlungen bei der Welthandelsorganisation sind auch offen, warum nicht bei TTIP?" Die Dänin ist ein alter Hase auf dem Gebiet des Konsumentenschutzes: Sie ist Mitglied der Beratergruppe der EU-Kommission in Verbraucherschutzangelegenheiten und Mitglied des transatlantischen Konsumentenverbands TACD. Davor war sie jahrelang Direktorin des des dänischen Konsumentenschutzverbandes. Seit Beginn der TTIP-Verhandlungen fordert sie mehr Transparenz.

Die Mitgliedschaft in der Expertengruppe ist für Kerneis der Schlüssel dazu: "Wir können unseren Mitgliedern berichten, wie die Verhandlungen vorangehen. Das ist ein Element der Transparenz zur Basis hin. Und da die gesamte Zivilgesellschaft in der Gruppe abgebildet ist, kann man nachher nicht sagen, dass man nicht am Laufenden war."