Straßburg/Kiew. (vee/apa) 478 Seiten umfassen die Präambel und die sieben Teile des Assoziierungsabkommens zwischen der EU und der Ukraine. Die dazugehörigen Annexe und Protokolle erstrecken sich über mehrere tausend Seiten. Und: Seit Dezember 2011 lag das Partnerschaftsabkommen fertig ausverhandelt auf dem Tisch, nachdem davor fünf Jahre lang um den Inhalt gerungen worden war. Am Dienstag schließlich machten Brüssel und Kiew einen weiteren Schritt, das umstrittene Papier, dessen Nichtunterzeichnung durch Wiktor Janukowitsch Ende des Vorjahres eine Revolution im Land auslöste und zur Absetzung des Präsidenten führte, in Kraft zu setzen. Das ukrainische Parlament nahm am Dienstag das Abkommen einstimmig im Beisein des ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko an. Fast zeitgleich ratifizierte das EU-Parlament mit überwiegender Mehrheit das Dokument.

Im März waren von der neuen Führung in Kiew die politischen Teile des Abkommens unterzeichnet worden. Darin sind die Prinzipien festgeschrieben wie die Einhaltung demokratischer Grundsätze und der Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und freie Marktwirtschaft. Im Juni folgten die Unterschriften unter das Freihandelsabkommen, das am 1. November in Kraft treten sollte. Für die Übergangszeit hob die EU bereits einseitig Zölle auf, um die ukrainische Wirtschaft zu unterstützen.

Moskau schlägt Änderungen vor

Gegen den im Partnerschaftsabkommen enthaltenen Freihandelspakt mit seinen 15 Kapiteln, 14 Anhängen und drei Protokollen leistet Russland aber Widerstand und hat zahlreiche Änderungswünsche angemeldet. Um den Streit mit Moskau inmitten des Ukraine-Konflikts zu entschärfen und den Friedensprozess nicht zu torpedieren, soll der Freihandelspakt erst ab 2016 gelten. Während die EU Russland in die jahrelangen Verhandlungen nicht einbezogen hatte, ist ihr inzwischen klar geworden, welche Bedeutung es für Russland hat. Der russische Präsident Wladimir Putin wurde daher aufgefordert, Änderungsvorschläge zu machen. Russischen Medienberichten kam er dem nach und legte mehr als 2000 Forderungen nach, über die gesprochen werden soll.

Russland hatte im Vorfeld damit gedroht, Zölle auf Importe aus der Ukraine zu erheben, wenn das Abkommen im November in Kraft tritt. Bisher können Waren aus der Ukraine weitgehend zollfrei nach Russland exportiert werden. Die Regierung in Moskau befürchtet, dass künftig Waren aus der EU, für die Russland Zölle erhebt, dann über die Ukraine zollfrei ins Land kommen könnten.

EU-Erweiterungskommissar Stefan Füle betonte vor dem EU-Parlament in Straßburg, dass die Ukraine um die Verschiebung des wirtschaftlichen Teils des Abkommens gebeten habe. "Der Aufschub ist kein Ergebnis einer russischen Erpressung", reagierte Füle auf die Kritik mehrerer EU-Abgeordneter am Aufschub.

Mit dem Abkommen würden die Beziehungen zwischen der EU und der Ukraine auf eine rechtliche Grundlage gestellt, lobte EU-Handelskommissar Karel De Gucht. Die EU-Kommission habe keinerlei Änderungen an dem Abkommen zugestimmt, die nach der Ratifizierung nicht mehr möglich seien. De Gucht wies erneut darauf hin, dass die Ukraine bis zum vollständigen Inkrafttreten des Abkommens einen privilegierten Zugang zum EU-Markt haben wird. Die EU-Botschafter wollten nach Angaben eines EU-Diplomaten darüber beraten, wann die EU-Staaten dem Abkommen endgültig zustimmen und wie mit der Verschiebung des wirtschaftlichen Teils umgegangen werden soll.

Wunsch nach EU-Beitritt

Mit Blick auf die seit Monaten anhaltenden Kämpfe in der Ostukraine gegen Aufständische sagte Poroschenko in einer Ansprache am Dienstag, dass keine Nation jemals einen so hohen Preis gezahlt habe, um europäisch zu werden. Gleichzeitig bekräftigte er den Wunsch nach einem EU-Beitritt der Ukraine und versicherte, Reformen anzugehen. Er werde dafür in Kürze einen Plan bis 2020 vorlegen, kündigte er an.