Washington. (apa/dpa) Die Aussicht auf einen großmäuligen, selbstverliebten Milliardär an der Spitze der US-Regierung lässt viele Amerikaner verzweifeln. Italiener wissen zu berichten, wie die Präsidentschaft eines Mannes vom Schlage Trumps aussehen könnte. Sie erleben derzeit eine Art Déjà-vu.
Donald Trumps Präsidentschaftskandidatur ist mit ihrer schrillen Radikalität selbst für Kenner der US-Politik ein neues Phänomen. In Italien weckt sie indes Erinnerungen an einen alten Bekannten: Silvio Berlusconi.
Der Präsidentschaftskandidat der US-Republikaner und der dreimalige Ministerpräsident Italiens sind beide egozentrische, forsche Unternehmer. Beide sind mit Immobilien und im Showgeschäft reich geworden, bevor sie die politische Bühne eroberten. Einen Hang zu seltsamen Frisuren, Selbstbräunern, jungen Frauen und politisch inkorrekten Ausbrüchen haben sie ebenfalls gemeinsam.
"Beschwörer von Träumen"
"Sie kupfern von uns ab, und zwar auf schamlose Weise", sagt etwa der italienische Oscar-Preisträger Roberto Benigni. "Seht ihr nicht, dass ein milliardenschwerer Geschäftsmann, der sich nie für Politik interessiert hat, der sich aufgestellt hat, um sich um seine eigenen Interessen zu kümmern, der wegen Steuerhinterziehung rechtliche Probleme hat, der sich einen Ausrutscher nach dem anderen erlaubt, der von schönen Frauen umgeben ist und Haarprobleme hat, um das Weiße Haus kandidiert?", fragte der Schauspieler Anfang Juni im Interview der Zeitung "La Repubblica". "Von uns abgekupfert, alles."
Trump und Berlusconi seien sich äußerlich und politisch sehr ähnlich, findet auch Giovanni Orsina, Professor an der Luiss-Universität in Rom. Beide präsentierten sich als Außenseiter, die kaputte politische Systeme reparieren könnten, und gäben Wählern den Eindruck: "Die sind ja schon reich, dann werden sie nicht stehlen." Beide bedienen laut Orsina zudem eine bestimmte Form des Nationalismus. Berlusconi sprach 1994 bei seinem Eintritt in die Politik von einem "neuen italienischen Wunder", Trump will nun "Amerika wieder groß machen". "Sie vermitteln beide die Botschaft, dass unter ihnen das Land gedeihen und sein wahres Potenzial wieder erreichen kann", sagt der Professor, der ein Buch über Berlusconi geschrieben hat.
Einen Unterschied sieht Orsina allerdings in der Einstellung der beiden Männer zum Rest der Welt. Berlusconi sei von Ronald Reagan und Margaret Thatcher inspiriert worden, nach deren Auffassung die Welt vor allem Chancen und nicht Gefahren berge. Trump hingegen sei der Meinung, die USA müssten sich mit dicken Mauern vor der Globalisierung schützen.
Der Journalist Giuliano Ferrara war Minister in Berlusconis erster Regierung. Seinen damaligen Chef beschreibt er als "großen Optimisten, eindrucksvollen Beschwörer von Träumen - und nicht Albträumen". Der frühere italienische Regierungschef sei vielversprechend gewesen, der US-Milliardär hingegen bedrohlich, schrieb Ferrara in der Zeitung "Il Foglio".
Berlusconi gewann seine erste Wahl im Jahr 1994, drei Monate, nachdem er eine Partei gegründet hatte, die nach einem Fußball-Schlachtruf benannt wurde: "Forza Italia" (Vorwärts Italien). Mithilfe seines Medienreiches und seiner Beliebtheit als Eigentümer des Fußballvereins AC Mailand überzeugte Berlusconi Wähler mit wilden Versprechen von neuen Arbeitsplätzen und Steuersenkungen. Hinzu kamen antikommunistische Slogans und eine eingängige Hymne, die zu einem Stück italienischer Popkultur wurde.
Der Mogul regierte in den Jahren 1994 bis 1995, 2001 bis 2006 und 2008 bis 2011. Schließlich trat er auf dem Siedepunkt einer nationalen Schuldenkrise zurück, die die Stabilität der gesamten Eurozone gefährdete. Dann kam Italiens reichster Mann wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung und Sex mit minderjährigen Prostituierten vor Gericht.
In letzterem Fall um "Bunga-Bunga-Partys" wurde er zwar freigesprochen, seit einigen Jahren ist Berlusconi aber auf dem absteigenden Ast. Berlusconi wurde 2013 aus dem Parlament ausgeschlossen, seine Partei implodiert angesichts radikalerer Konkurrenz von rechts. Auch seine Gesundheit lässt nach: Kürzlich wurde dem 79-Jährigen in einer vierstündigen Operation eine neue Herzklappe eingesetzt.
Die Erfahrung mit Berlusconi zeige, dass es ein Fehler wäre, Trump als Witz abzutun, schrieb der Kolumnist Beppe Severgnini im vergangenen September in der New York Times. Ihn ernst zu nehmen, wäre Severgnini zufolge aber genauso falsch. Seine Empfehlung: "Nutzen Sie Ihren Sinn für Humor!"