Es gibt Weltwunder, religiös motivierten Glauben an wundertätige Heilige, das Wunder Natur und auch in Wissenschaft und Technik geht es nicht nur rational zu - wir wollen im banalen Alltag Paranormales entdecken und die Künstler bescheren uns Kommentare zu den geheimen Potenzen von Bild und Objekt. In allen Sinnzusammenhängen und von vielen Seiten gespeist, versucht sich die Kunsthalle Krems als Kunsthort der Zauberstäbe, Schalen und Geister, die als blaue Männchen von Thomas Schütte auftreten oder Skeptikern als "blaues Wunder" von Timm Ulrichs beschert werden.
Doppeltes Wunder
Die Ausstellung "Wunder. Kunst, Wissenschaft und Religion vom 4. Jahrhundert bis zur Gegenwart" ist von einem Kuratoren-Team für die Deichtorhallen in Hamburg und für Krems mit viel rationalem Wissen konzipiert worden, doch der Mix durch die Zeiten, zwischen Natur- und Kulturphänomenen, spricht Rätselhaftes an, das vor allem von Gegenwartskunst bespiegelt wird. Ein Konzept, das auch Direktor Hans-Peter Wipplinger teilt und dazu Wunder nebenbei als mediales Ereignis präsentiert: Zur Voreröffnung gewann er die große Dame des Fluxus, Yoko Ono, für eine spontane Kunstaktion. Sie verband auf mehreren Leinwänden die westliche Malspur eines Jackson Pollock mit der östlichen Kraft der Kalligrafie und hinterließ ihre Handschrift mit rätselhaftem Inhalt als verdoppeltes Wunder.
Nahe dem Pfingstwunder und dem "Vera Ikon" eines Christus ähnlichen Abdrucks am Leichentuch von Turin bewegt sich die alte Kunst für Gläubige. An bekannten Pilgerstätten wie Fatima und Lourdes haben Helmut und Johanna Kandl die Erwartung des Wunders in einer Vierfachprojektion dokumentiert: "O Maria Hilf" von 2011 läuft gegenüber einer ganzen Wand volkstümlicher Ex-Voto-Bildchen, die von anonymen Glückskindern nach Erfüllung ihrer Gebete an die Kirche gestiftet wurden. Dazu filmten Carlo und Paola Biase die weinende Muttergottes-Statue von Syrakus und ein Werkstattbild des barocken Realisten Caravaggio zeigt die Bekehrung des "Ungläubigen Thomas". Kunstwunder im Dienst oder gar im Bann der Kirche?
Kunst-undWissenschaftsduett
Was im Christentum das wahre Antlitz, ist im Islam die mathematische Ordnung einer Kombination von heiliger Geometrie und Licht im Ornament der Architekturform der "Muqarna", die Bauten zu Wundern erhebt. Timo Nasseri kombiniert sie mit Spiegeln zum "Miraculum" der Kunstinstallation. Das frühe Duett von Wissenschaft und Kunst in der Vorform des Museums, der "Kunstkammer", zitiert Terence Koh ganz weiß, das Gleißende ist auch Dara Birnbaums Interesse an der "Wonder Woman" in ihrem Video. Da kommen der Zaubertrog aus "Asterix und Obelix" oder der Verschnitt aus Spiderman und indischer Elefantengottheit dem kindlichen Gemüt entgegen, das angeblich für Wunderglauben nötig ist.
Dass Zweifel geschürt werden sollen an den Grenzen unserer Naturwissenschaft, zeigen ein Perpetum mobile, aber auch Katharina Sieverdings von der Nasa übernommene glühende Ansicht der "Sonne um Mitternacht" 2010 im Kinoraum. Mithilfe des Schamanismus wollte Joseph Beuys die Gesellschaft als Künstler bewegen - aus der Aktion "Eurasienstab" sind die Leiternrelikte an die Wand gelehnt. Die magische Umwandlung der metallisch kalten Symbole des Wirtschaftswunders, der Türme des World Trade Centers, mit heilender Margarine bestrichen und umbenannt in zwei frühchristliche Ärzte und Märtyrer, haben mit dem Terroranschlag von 9/11 eine über die Kunst hinausgehende Dimension erreicht. Die verwunderlich anhaltende Kraft von Kunstwerken will nahezu die ganze Schau vermitteln.