Die Intensivphase des Wahlkampfs ist erst angebrochen, der Overkill an Debatten dräut langsam herauf. Doch die strategische Aufstellung der Parteien zeichnet sich sechs Wochen vor der Wahl recht klar ab.
SPÖ: Guter Start

Die SPÖ führt das dritte Rückzugsgefecht in Folge. 2006 verabschiedete sich Alfred Gusenbauer von der breiten "solidarischen Hochleistungsgesellschaft" und fokussierte nach der Bawag-Pleite auf die roten Kernschichten. Die Mobilisierung über den Negativwahlkampf gegen Wolfgang Schüssel funktionierte. Im Wahlkampf 2008 fuhr Werner Faymann eine Entschuldigungskampagne für seinen Vorgänger. Ziel waren wieder die (ob Gusenbauers Publikumsbeschimpfung frustrierten) roten Kader. Auch diese Übung gelang.
Und diesmal? Die Kampagne mag "retro" sein, und bei den plakatierten Themen (Arbeit, Pensionen, Bildung) macht man nicht einmal Richtung. Aber: Man erinnert an die Kernstärken der Partei. Dieses Basisrezept kann zur Verteidigung von Platz eins reichen. Das Mobilisierungsproblem muss erst behoben werden, aber aus den Startlöchern ist man recht passabel gekommen.
ÖVP: Keine gerade Linie
Die Emotionen werden zwar nicht so hochkochen wie beim lange wahrscheinlichen Showdown mit Heinz-Christian Strache: Aber auch die ÖVP ist ein brauchbarer Reibebaum. Michael Spindelegger ist kurz vor der heißen Phase nicht zu beneiden. Da arbeitet sich seine Partei aus den Korruptionsaffären raus und schneidet im ersten Halbjahr besser als von vielen erwartet ab. Da spürt man einen für die Volkspartei untypischen Glauben an die eigenen Stärken. Doch dann bekommt man zum Auftakt der Kampagne wieder keine gerade Linie hin: Bei der Kernstärke Wirtschaft widersprechen einander die ÖVP-Minister. Der mächtigste Landeschef turtelt mit dem roten Kandidaten beim Heurigen ("Reblausaffäre", © Spindelegger). Mit der Asyldebatte befeuert man das Thema der FPÖ. Und der Selbstfaller beim Frauenpensionsalter hat das Zeug zum Eigentor des Monats.
Die Kampagne ist zwar schön. Und zumindest mit der Zuspitzung auf die "Faymann-Steuern" kann man wesentliche Zielgruppen erreichen. Aber der gewollten Positionierung als einziger Zukunftspartei fehlt der Unterbau. Wer "Willkommen, Zukunft!" ruft, sollte sich tagesaktuell nicht für Fritz Neugebauer rechtfertigen müssen. Die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit muss die ÖVP also erst überbrücken.
FPÖ: Gebremst von Stronach
Mit der Aussicht auf Platz drei hat sich die FPÖ wohl abgefunden, ihr Wachstum wird durch Frank Stronachs Antreten stark gebremst. Die blaue Verunsicherung ist spürbar. Die bevorstehende Gratwanderung ist auch nicht einfach: Man muss provozieren, um wahrgenommen zu werden. Überziehen ist aber verboten, sonst wandern gemäßigtere Protestwähler ab.
Erstes Resultat des blauen Dilemmas: Um den Vorwurf des Ausländerhasses abzuwenden, wird auf Inländerliebe gesetzt. Der kleine Tabubruch inklusive Bibelzitat war kalkuliert, die evangelische Kirche ist brav angesprungen. Aber das kann nicht alles gewesen sein.
Grüne: Neue Leichtigkeit
Die Grünen müssen als programmierte Wahlsieger nur fürchten, dass ihr Spitzenthema Korruptionsbekämpfung gegen den Arbeitsmarkt abfällt. Die Zuwächse in Wien werden sich wohl im Rahmen halten, dafür ist man in den Ländern auf solidem Wachstumspfad. Die neue Leichtigkeit spiegelt sich in der Kampagne.
Waren grüne Kampagnen früher von Fadesse durchtränkt, ist man diesmal fokussiert, spritzig, witzig.
Team Stronach: Fehler
Das kann man von Frank Stronach bisher nicht behaupten. Das Polit-Greenhorn macht Fehler: Als Antipolitiker baut er für seine Kandidatur auf Berufspolitiker, nicht die Bevölkerung. Statt den unabhängigen Macher für die Mitte zu geben, positioniert er sich als Wutmanager für Protestwähler.
Dennoch: In der aktuellen Plakatserie blitzt erstmals etwas wie Strategie durch. Das eigentliche Potenzial bleibt zwar weiter unausgeschöpft, aber in den zweistelligen Bereich kann sich der Austrokanadier hocharbeiten.
BZÖ-Problem: Neos
Dann ist er im Parlament aber dennoch nur BZÖ-Ersatz. Die Orangen liefern aktuell wilde Zuckungen. Der personelle Schnitt des Josef Bucher kommt Jahre zu spät und stiftet auf den letzten Metern eher Verwirrung. So wird man selbst Probleme haben, die ambitionierten und im städtischen Bereich gut organisierten Neos auf Distanz zu halten.