Natürlich ist eine Woche vor dem Urnengang noch nichts entschieden. Zu groß ist die Schwankungsbreite in den Umfragen, zu hoch die Zahl der Spätentschlossenen, die sich teils erst in der Wahlkabine entscheiden. Dennoch: Wenn es am 29. September nach den gängigen Regeln der Kampagnenkunst läuft, sind Tendenzen doch abzusehen:
Keine Erzählung

Die Volkspartei kann ihren Kanzleranspruch wohl kaum noch einlösen. Das liegt weniger an der auch nicht gerade bärenstarken SPÖ als vielmehr an der eigenen kommunikativen Leistung. Auch gegen Ende der heißen Wahlkampfphase kommt die ÖVP nicht und nicht in die Gänge.
Es gelingt einfach keine stringente Erzählung. Nachdem man im Sommer schon einmal versucht hat, gegen die "Faymann-Steuern" zu Felde zu ziehen, herrschte in den vergangenen Wochen Totenstille um dieses Horrorszenario der ÖVP. Wenige Tage vor dem Wahltag taucht die Zuspitzung jetzt plötzlich doch wieder auf. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Das Thema Steuern und SPÖ wäre für die Volkspartei durchaus verwertbar gewesen. Aber eine durchgängige Kampagnisierung hat man nicht zustande gebracht.
Kaltschnäuzige SPÖ
Gerade bei diesem zentralen Politikbereich hat sich die SPÖ zudem wieder einmal als die kaltschnäuzigere Partei erwiesen. Ohne mit der Wimper zu zucken und ohne Rücksicht auf die zu erwartende budgetäre Situation angesichts des Hypo-Desasters präsentierten die Sozialdemokraten ein umfassendes Steuerreformkonzept mit Entlastungen für den Mittelstand. Das kann man zu Recht Chuzpe nennen.
Aber der Koalitionspartner stand der roten Offensive hilflos gegenüber. Maria Fekter entrüstete sich über den "durchsichtigen Versuch, Stimmen zu gewinnen". Teufel aber auch, Frau Finanzministerin, und das noch dazu im Wahlkampf!?
Verschlimmert wird die Sache für die ÖVP aus zwei Gründen: Aus vollen Rohren gegen die SPÖ-Pläne zu schießen ist schwierig, denn Fekter selbst hatte noch 2012 denselben niedrigeren Eingangssteuersatz gefordert wie aktuell der Koalitionspartner. Dem Vernehmen nach liegt im Finanzministerium ein den SPÖ-Plänen ähnliches Konzept in der Schublade. Dort nützt es der ÖVP nur nichts. Dazu kommt, dass eben die Strategie, die SPÖ als Steuererhöhungsapostel zu brandmarken, gerade konterkariert wird.
Auch wenn es für viele Zielgruppen der Volkspartei gute Gründe gibt, gegen Vermögenssteuern vom Leder zu ziehen: Werden diese als Gegenfinanzierung für niedrigere Mittelstandssteuern präsentiert, wird die kommunikative Herausforderung noch größer.
Lucky Punch
Der Volkspartei bleibt eine Woche vor der Wahl eigentlich nur das Vertrauen auf eine gute Mobilisierung in den entscheidenden Ländern Nieder- und Oberösterreich. Und die Hoffnung auf ihren Frontmann Michael Spindelegger: Sowohl für ihn als auch für Faymann sind die verbleibenden zwei Kanzlerduelle eine Chance zur medialen Fokussierung. Doch der ÖVP-Chef muss mit dem einen oder anderen lucky punch seine Leute aus der aktuellen Lethargie reißen, dass das Kanzlerduell schon gelaufen ist und eher ein Rennen um Platz 2 droht.
Tatsächlich vorbei ist die Sache für Frank Stronach. Mit gedämpften Auftritten bei seinen letzten TV-Duellen hat er zwar keinen weiteren Schaden angerichtet. Doch der Sinkflug der vergangenen Wochen ist nicht mehr umkehrbar. Als Hauptprofiteur dieser Entwicklung kristallisiert sich immer stärker die FPÖ heraus. Parteiobmann Heinz-Christian Strache wirkte zwar schon spritziger, doch bei seinen Duellen gegen Kanzler Faymann und BZÖ-Chef Josef Bucher konnte er bei seinen Zielgruppen punkten.
Bucher patzt
Gerade gegen den Ex-Parteikollegen hatte er leichtes Spiel. Bucher präsentierte sich als williges Opfer in der zur Familienzusammenführung geratenen Inszenierung. Sein größter Fehler: Nicht einmal in der Debatte um Islam und Migration waren Unterschiede zur FPÖ erkennbar. So hat der Orange bisherige Wahlkampfaktionen - das Kaltstellen ehemaliger Parteigrößen wie Peter Westenthaler oder Ewald Stadler und das moderat-liberale Themensetting - konterkariert. Freuen durfte sich Strache. Er ist auf dem besten Weg, am 29. September doch einigermaßen zulegen zu können.