Seit der ersten "Zwischenbilanz" vor sechs Wochen ist keine Revolution am Wählermarkt passiert, einige damals bestehende Trends haben sich aber verstärkt.

Das der SPÖ attestierte "Rückzugsgefecht" findet wie erwartet statt. Im Fokus steht die rote Basis und mobilisiert wird über zugespitzte Szenarien, was dem Land ohne tonangebende SPÖ droht. Die Kampagne war alles andere als visionär, aber professionell und gut orchestriert. Der Kanzler hat gerade im Duell mit dem ÖVP-Herausforderer gut in die Rolle der roten Schutzmantelmadonna für Pensionisten, Geringverdiener und berufstätige Frauen gefunden.
Roter Wahlhelfer Strache
Die Probleme der Kanzlerpartei sind - nach sieben Jahren an der Macht - die Glaubwürdigkeit der Botschaften und die Mobilisierbarkeit einiger Teile der Basis. Dumme Aktionen wie die Diskussion ums Comeback des ehemaligen Linzer Finanzstadtrats halfen wenig. Immerhin eilte noch FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache zu Hilfe: Er unterstützte die SPÖ-Warnung vor Schwarz-Blau mit einer umständlichen Formulierung, wonach er sich vorstellen könne, der ÖVP von Platz drei auf den Kanzlersessel zu helfen. Gemeint war das so nicht, dementiert wurde auch rasch, aber im Wählerkontakt ist der Sager für die SPÖ verwertbar.
Zu viele schwarze Köche
Was die ÖVP noch bringen kann, ist dagegen nicht so klar. Ihr fehlt das Momentum noch viel mehr als der SPÖ. Der plakatierte Optimismus, die beschworene Tatkraft: Sie scheinen das Lager gewechselt zu haben. Michael Spindelegger mühte sich in seinen Auftritten zwar redlich, aber in der Partei wird vor allem diskutiert, ob sich Platz zwei wohl ausgeht und wie es mit der Mandatsmehrheit danach steht.
Dabei hätte es aufgrund der Ausgangsposition nach den Landtagswahlen besser laufen müssen. Aber ein Haufen selbst ernannter Kampagnenchefs ließ in der ÖVP alles aus dem Ruder laufen. Eine uneinheitliche Linie, widersprüchliche Botschaften, unterschiedliche Kommandos an die Bodentruppen: Wie soll Spindelegger Kanzler können, wenn seine eigene Partei nicht Kampagne kann?
Das Momentum der letzten Wahlkampftage lag klar nicht bei der Regierung, sondern bei (Teilen) der Opposition. Die Grünen haben ihren Zenit in der Kampagne zwar wohl überschritten, kämpfen aber professionell bis zum Ende. Die FPÖ hat mit Strache-Rap und -Comic in der Zielgruppenkommunikation zugelegt. Profitieren wird man aber vor allem vom sinkenden Stern dieses Wahlkampfs: Frank Stronach.
Während sich der Austrokanadier schon vor zehn Tagen aus dem Wahlkampf zurückgezogen hat, auf Medienkontakte verzichtet und so weiteren Schaden von seinem Team abhalten will, können von seiner Schwäche nicht nur die FPÖ, sondern auch andere politische Newcomer profitieren.
Lernfähige Neos
Für die Neos schien der Einzug in den Nationalrat noch vor dem Sommer beinahe aussichtslos. Von den dafür nötigen drei Ks - Kompetenzen, Kandidaten, Kohle - hatten sie nur auf der pekuniären Ebene was zu bieten. Das hat sich in den vergangenen Wochen massiv geändert. Auf der Kompetenz- oder Inhaltsebene haben die Neos einen Schwenk weg von der ursprünglichen Transparenzbotschaft gemacht. Diese wird ohnehin von den Grünen perfekt abgedeckt, also fokussierte man stärker auf Themen, die sich auch die Grünen nicht anzusprechen getrauen: eine tiefgreifende Pensionsreform etwa.
Und auch auf der Kandidatenebene wurde das Manko eines zwar sehr engagierten, aber angesichts des TV-Wahlkampfs der Parlamentsparteien viel zu wenig bekannten Spitzenmannes ausgeglichen. Man traute sich was. Die Präsentation von Hans Peter Haselsteiner als "geheimer" Spitzenkandidat war ein gelungener Coup. Dass dabei auch inhaltliche Gräben sichtbar wurden, nahm man zu Recht in Kauf. Die Chancen, siebte Parlamentsfraktion zu werden, stehen nicht schlecht.
Durchwachsener die letzten Wahlkampftage des BZÖ: Die Nachwirkungen der Korruptionsprozesse und die mangelnde Abgrenzung von der FPÖ stehen gegen die gute Performance des Spitzenkandidaten. Josef Bucher und seine Mannen könnten morgen trotzdem eine tragende Rolle spielen: Wenn es Neos und BZÖ ins Parlament schaffen, könnte die Koalition in der letzten Minute doch noch den entscheidenden Treffer kassieren und die Mandatsmehrheit verlieren.