Politische Polarisierung, Korruption, Desillusionierung der Jugend: Demokratie erlebt eine Vertrauenskrise und ist bedroht. Wie dieser Bedrohung begegnet werden kann, wie Partizipation gestärkt und das Vertrauen in die Demokratie abgesichert werden kann, darüber diskutierten am ersten Österreichischen Demokratietag verschiedene Wissenschafter und Politiker. Die Veranstaltung wurde von der "Wiener Zeitung", dem SORA Institut und der Central European University veranstaltet.

Am Podium: Walter Hämmerle, Sigrid Maurer, Barbara Teiber und Günther Ogris.
- © Screenshot YoutubeWesentliches Messinstrument ist der Demokratiemonitor von Sora, der 2018 erstmals veröffentlicht wurde. Im Unterschied zu damals sei heute das Vertrauen in das politische System deutlich zurückgegangen, erklärte Ogris, wobei sich dies vor allem bei gewählten Vertretungen zeige, weniger in Justiz und Polizei. "Das unterste Einkommensdrittel hat schon lange eine Krise damit, es fühlt sich nicht vertreten"; sagte Ogris. Auch hätten diese Menschen nicht das Gefühl, dass die Berichte in den Medien und die Debatten im Parlament etwas mit ihrem Leben zu tun hätten.
Vertrauenskrise in allen Schichten
Maurer teilte diesen Befund. "Es ist sehr problematisch, dass sich dieses Drittel rausnimmt." Ist man länger in der Politik, nehme man dies auch wahr, weil sich diese Menschen oft auch nicht beteiligen. "Wer schreibt uns E-Mails?", berichtete Maurer. "Dieses Problem besteht aber schon lange." Neu ist aber, wie Ogris auch erklärte, dass auch das mittlere und das oberste Einkommensdrittel Zweifel hegen, allerdings aus unterschiedlichen Gründen. Die Mitte reagierte auf die jüngsten, in vielen Chats dokumentierten Affären. Laut Ogris habe sich ein Gefühl eingestellt, "dass die Republik ein Selbstbedienungsladen ist" und dass es einer Clique nur um Macht gehe.
Relativ neu ist auch, dass selbst das oberste Einkommensdrittel von einer Vertrauenskrise erfasst ist. Hier hat laut Sora-Chef Ogris die Pandemie eine Rolle gespielt. "Das oberste Drittel hat die Erfahrung gemacht, dass sie mit dem untersten im selben Boot ist." Gemeint war damit, dass auch für die Besserverdienenden durch die Lockdowns das Thema Freiheit ein Thema geworden ist. Für Menschen auf der anderen Seite der Einkommensverteilung sei dies, so Ogris, Alltag, da sie permanent in Behördenprozessen involviert seien und etwa am Sozialamt Kontrollen unterliegen.
Ein grundsätzliches Misstrauen der Regierung, oder allgemein: den Mächtigen, gegenüber ist für Ogris aber "notwendiger Teil der Demokratie", eben damit sich die Machtverteilung gelegentlich ändere. Und er wollte auch keine allzu pessimistische Sicht aufkommen lassen und erwähnte das große Vertrauen der Menschen in Wahlen. Als Hochrechner sei er auch in Georgien, Bulgarien und der Ukraine gewesen, dort sei die Frage von fairen Wahlen präsent gewesen. "In Österreich muss ich mir keine Sorgen machen." Wie schnell aber das Vertrauen in sich zusammenfallen kann, sieht man gegenwärtig in den USA, wo ein wachsender Teil der Bevölkerung nicht mehr an faire Wahlen glaubt.
Regierung in der Dauerkritik
Die Entwicklung in den USA war nicht bloß Folge von Machtmissbrauch oder fehlerhafter Wahlen, sondern war auch Auswirkung eines sich verhärtenden politischen Klimas, samt medialer Begleitung. Maurer sieht dahingehend auch ein Problem in Österreich und nannte als Beispiel den Klimabonus. "Das ist ein Riesenprojekt mit sehr geringer Fehlerquote. Es ist trotzdem niedergeschossen worden von der Opposition und Boulevardmedien. Auch die erfolgreichen Dinge werden negativ konnotiert." Die grüne Klubchefin sieht auch eine parlamentarische Entwicklung, dass zunehmend nicht mehr seriös diskutiert wird, dass die Qualität des Diskurses leidet und Vereinbarungen mit anderen Parteien nicht eingehalten werden.
Gewerkschafterin Teiber verwies darauf, dass auch von Regierungsseite nicht immer mit der feinen rhetorischen Klinge gearbeitet werde, sagte aber auch, dass es eine Herausforderung sei, kritisch zu sein, aber auch seriös zu bleiben. Gehe Kritik in die falsche Richtung, könne das durchaus die Vertrauenskrise verstärken, sagte sie. Gleichzeitig dürfe man Kritik nicht nur der populistischen Rechten überlassen. Teiber, die früher auch Gemeinderätin in Wien war, verglich dabei auch ihre Position heute mit jener damals im Wiener Rathaus: Interessenspolitik sei einfacher als die politische Arbeit einer gewählten Vertreterin, da man es dann vielen Stakeholdern recht machen müsse, während sich etwa akzentuierte Arbeitnehmerinnen-Politik streng an deren Interessen orientiert.
Transparenz als Schlüssel
Durchaus einig waren sich Teiber und Maurer in der Bewertung der Ära Sebastian Kurz. GPA-Chefin Teiber registrierte "Allmachtsgedanken, das Gegenüber vernichten zu wollen." Zuvor habe es in Österreich auch das Prinzip "leben und leben lassen" geherrscht, "das war Common sense". Unter Kurz sei da ein neuer Stil eingezogen. Maurer bestätigte, dass in dieser Zeit das Verhältnis zu den Sozialpartnern "sicher gelitten" habe – "aber das hat sich nun geändert", so die grüne Klubchefin. Die Aufteilung der Macht und mächtiger Positionen sei früher zwischen SPÖ und ÖVP passiert, aber diese Parteien, so Maurer, seien heute nicht mehr so stark. Durch die veröffentlichten Chats sei nun auch dokumentiert, wie Sektionen parteipolitisch umgestaltet würden. "Das hat man früher nicht mitbekommen." Doch wie kommt man aus dieser sich manifestierenden Vertrauenskrise heraus? "Transparenz ist der Schlüssel, gemeinsam mit Kontrollmöglichkeiten", sagte Maurer, die Österreich auch scharfe Anti-Korruptionsgesetze attestierte. (red)