Das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) enthält keinen Katalog der Grundrechte. Umso auffälliger ist es daher, dass sich ein Grundrecht an besonders prominenter Stelle, bereits im Art. 7, findet: der Gleichheitssatz.
Nach diesem sind alle Staatsbürger vor dem Gesetz gleich. Vorrechte der Geburt, des Geschlechtes, des Standes, der Klasse und des Bekenntnisses sind ausgeschlossen. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. Die Republik bekennt sich zur tatsächlichen Gleichstellung von Mann und Frau. Dieses Grundrecht ist gleich mehrfach in der österreichischen Rechtsordnung verankert. Es findet sich auch im (noch immer geltenden) Staatsgrundgesetz aus 1867, im Art. 14 der Europäischen Menschenrechtskonvention, im Art. 18 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU, und es wurde auch durch ein Verbot rassischer Diskriminierung ergänzt.

Enorme Ausweitung
Alle diese Bestimmungen sind im Kern ähnlich. Sie verbieten dem Staat, Gleiches ungleich zu behandeln. Anders gesagt: Jede rechtliche Differenzierung muss in entsprechenden Unterschieden im Tatsächlichen ihre Begründung finden.

In der Judikatur des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) hat die Bedeutung dieser Norm eine Ausweitung wie kein anderes Grundrecht erfahren. Von diesen hat daher der Gleichheitsgrundsatz heute die größte praktische Bedeutung. Zunächst wurde klargestellt, dass nicht nur Inländer gleich zu behandeln sind, sondern alle Menschen. Dann, dass dieses Gebot nicht nur Menschen, sondern auch juristische Personen schützt. Und schließlich wurde der innere Gehalt des Satzes verbreitert.
Der Gleichheitssatz verbietet es nicht nur, dass Gesetze zwei Lebenssituationen unsachlich differenzieren. Er verlangt darüber hinaus, dass überhaupt jede gesetzliche Regelung inhaltlich sachgerecht sein muss. So werden unplausible, unnötige, unvernünftige, exzessive Regelungen als verfassungswidrig beurteilt; Ausnahmen von einer Regel, Härtefälle etwa bei Stichtagen sind nur dann rechtskonform, wenn sie wirklich notwendig sind und sich in engen Grenzen halten.
Der Gesetzgeber kann sich nicht einfach allgemein auf die Notwendigkeit der Budgetsanierung oder einer Verwaltungsvereinfachung berufen, da muss er schon ganz genau und mit besonders guten Gründen darlegen, warum eine getroffene Regelung so und nicht anders notwendig ist. Aus diesen Überlegungen wurden etwa unterschiedliche Sozialversicherungsbeiträge, das System der Familienbesteuerung, der Ausschluss verheirateter Kinder von der Familienbeihilfe, die unterschiedliche Behandlung ehelicher und unehelicher Kinder oder unverhältnismäßig hohe Geldstrafen als gleichheitswidrig beurteilt.
Aus dem Gleichheitsgrundsatz wird auch ein Schutz des Vertrauens der Bürger gegenüber dem Staat abgeleitet. So sind etwa rückwirkende Strafen und gesetzliche Belastungen verfassungswidrig. Auch in wohlerworbene Rechte, auf die man vertrauen konnte (Pensionen) darf nicht ohne Weiteres eingegriffen werden.
Schranke für Verwaltung
Der Gleichheitsgrundsatz stellt zudem eine wichtige Schranke für die Verwaltung dar. Er verbietet ihr willkürliche Handeln. Willkür liegt nicht nur vor, wenn eine Behörde dem Bürger absichtlich Unrecht zufügt, sondern auch, wenn sie ein Gesetz denkunmöglich auslegt, anwendet oder Verfahrensvorschriften grob verletzt. Auch müssen die Behörden immer die Verhältnismäßigkeit ihrer Entscheidungen und Maßnahmen im Auge behalten.
Eine besondere Bedeutung hat der Gleichheitssatz für die Rechtsverhältnisse von Männern und Frauen. Hier wurden früher Differenzierungen in größerem Ausmaß zugelassen, wenn man sie mit einer unterschiedlichen sozialen und wirtschaftlichen Rolle der Frau begründete. Heute ist diese Argumentation unzulässig. In den Vorjahren wurden immer wieder Bestimmungen des Fremden- und Asylrechts aufgehoben, die zu restriktiv waren.
Trotz all dieser Grenzen, die der Gleichheitssatz dem Staat setzt, anerkennt der VfGH aber auch einen rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, des Parlaments. Man kann etwa das System der Sozialversicherung, das Steuerrecht und Wirtschaftsregeln nach politischen Prioritäten gestalten; solange es nicht unsachlich ist.