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Kein Platz mehr für Adel samt Monarchen

Von Manfred Matzka

Die österreichische Bundesverfassung hat entschieden mit allen alten Vorrechten aus der Kaiserzeit gebrochen.


Die Verankerung des republikanischen Prinzips in der österreichischen Bundesverfassung muss man vor dem historischen Hintergrund des Umbruchs der Jahre zwischen 1918 und 1920 verstehen: Es war den Staatsgründern wichtig, festzuschreiben, dass Österreich keine Monarchie mehr ist, sondern ein Staatsoberhaupt haben will, das nicht ein für alle Mal von Gottes Gnaden legitimiert, sondern nur auf Zeit gewählt ist und dessen Macht klare Grenzen hat.

Im Gegensatz zu einem Monarchen ist das Staatsoberhaupt in einer Republik demokratisch legitimiert und an das Gesetz gebunden. Es kann rechtlich und politisch zur Verantwortung gezogen werden, ist ein oberstes Verwaltungsorgan neben anderen, eingebunden in ein System der Gewaltentrennung. Diese Checks and Balances sind Teil des politischen Systems und der Verfassung einer parlamentarischen Demokratie.

Staatsnotar abgeschafft

Das Staatsoberhaupt der Republik Österreich ist der Bundespräsident oder die Bundespräsidentin. Sie oder er wird für sechs Jahre gewählt und kann nur einmal wiedergewählt werden. Das Staatsoberhaupt vertritt die Republik nach außen, ernennt den Bundeskanzler und auf seinen Vorschlag hin auch die Minister. Es kann auch die Bundesregierung entlassen und den Nationalrat auflösen. Der Bundespräsident beurkundet das verfassungsmäßige Zustandekommen der Gesetze, ist Oberbefehlshaber des Bundesheers und kann Notverordnungen mit Gesetzeskraft erlassen.

Das Staatsoberhaupt ernennt Beamte und Richter und gelobt die höchsten Staatsfunktionäre - auch die Gerichtshofspräsidenten und die Landeshauptleute - an. Der Bundespräsident, der heute direkt vom Volk gewählt wird, wurde in der Stammfassung des B-VG noch von der Bundesversammlung gewählt, seine Zuständigkeiten waren deutlich enger als heute. Er war eigentlich nur Symbolfigur und Staatsnotar. Erst die B-VG-Novelle 1929 brachte die Volkswahl und eine substanzielle Stärkung seiner Rolle.

Das österreichische Staatsrecht hat die Republik in einer besonders strikten Form realisiert. Es wurde nämlich nicht nur der Monarch aus dem Verfassungssystem beseitigt, sondern darüber hinaus auch der gesamte Adel, und alle seine Vorrechte bis hin zur Führung von Titeln und Prädikaten im Namen wurden abgeschafft. Das Habsburgergesetz und das Gesetz über die Aufhebung des Adels stehen sogar in Verfassungsrang.

Mitglieder des Hauses Habsburg des Landes verwiesen

Andere Republiken, wie etwa Deutschland oder Frankreich, haben keinen solchen Schritt gesetzt. Die Mitglieder des Hauses Habsburg wurden des Landes verwiesen, sofern sie nicht auf alle Herrschaftsansprüche verzichteten - diese Bestimmung führte im Jahr 1963, nachdem Otto Habsburg eine solche Verzichtserklärung abgegeben hatte, zu einer veritablen innenpolitischen Krise, weil sich die Parteien der ÖVP/SPÖ-Koalition nicht einigen konnten, ob diese Erklärung ausreichend sei.

Republiken können recht unterschiedlich ausgestaltet sein: Eine Präsidialrepublik schreibt dem Staatsoberhaupt nicht nur die Vertretung des Staates, sondern auch die führende Regierungsgewalt zu - Frankreich und die USA sind solche Staaten. Eine parlamentarische Republik billigt dem Parlament weitgehende Rechte gegenüber der Regierung und dem Präsidenten zu - es ist das in Europa am meisten verbreitete Modell. Hier steht dem Staatsoberhaupt üblicherweise ein Kanzler gegenüber, der in der praktischen Politik die gewichtigere Rolle hat.

Eine Räterepublik schreibt die Macht direkt gewählten Räten zu, und ein Staatsoberhaupt hat hier bestenfalls symbolische Funktionen. Das österreichische Modell ist das einer parlamentarischen Republik, allerdings mit einigen auffälligen präsidialen Elementen.

Manche Verfassungsrechtler leiten aus dem republikanischen Prinzip auch eine religiöse Neutralität des Staates, die grundsätzliche Trennung von Kirche und Staat, ab, weil sich in einer Monarchie der Monarch typischerweise auf eine religiöse Legitimation beruft, was in der Republik nicht der Fall ist. Andere meinen, die lateinische Bezeichnung "res publica" deute an, dass diese Staatsform auch einen ideologischen Gehalt in sich trägt, nämlich den Staat nicht als eine Einrichtung zu sehen, die den Menschen gegenübersteht, sondern vielmehr als deren "gemeinsame öffentliche Sache".

Teil 7 der Serie:
100 Jahre Bundesverfassung
(erscheint jeden Freitag)
Redaktionelle Koordination:
Petra Tempfer,
Paul Vécsei
www.wienerzeitung.at/verfassung/