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Wer Macht hat, ist geneigt, sie zu missbrauchen

Von Em. o. Univ.-Prof. DDr. Heinz Mayer

Montesquieu gilt als Vater des Konzeptes einer Trennung der politischen Gewalten.


Wer von Gewaltentrennung spricht, spricht über Montesquieu; er gilt als "Vater" dieses politischen Konzepts. Er hat die Macht als zentrales Problem für die Freiheitssicherung im Staat erkannt. Wer Macht hat, ist geneigt, sie zu missbrauchen. Machtmissbrauch vernichtet die Freiheit des Individuums.

Macht muss daher durch ein ordnendes Prinzip gemäßigt werden, durch die Aufteilung der Macht auf verschiedene Träger: Gesetzgebung, Verwaltung und Gerichtsbarkeit müssen getrennt und auf verschiedene Organe aufgeteilt werden. Das politische Konzept der Gewaltentrennung hat einen weltweiten Siegeszug angetreten und ist - ungeachtet verschiedener Gestaltungen - Bestandteil aller demokratischen Verfassungen.

Ablehnend stehen dem Konzept absolutistische und totalitäre Verfassungssysteme gegenüber; dies ist folgerichtig, denn wer dem Prinzip der politischen Freiheit des Individuums ablehnend gegenübersteht und lediglich die Verwirklichung einer bestimmten Ideologie anstrebt, muss Gewaltentrennung als hinderlich empfinden. Das gilt für "Rechte" wie für "Linke".

Kontrollfunktion des Gesetzgebers geschwächt

In der europäischen Staatsrechtslehre wurde nach dem Zweiten Weltkrieg die mit der Aufteilung der Staatsfunktionen auf verschiedene Organe verbundene Berufung zur gegenseitigen Kontrolle betont. Gewaltenteilung soll auch einen Beitrag zur Rechtsstaatlichkeit leisten.

Wie sieht hier die österreichische Verfassungsrealität aus? Die Kontrollfunktion des Gesetzgebers gegenüber der Verwaltung ist dadurch geschwächt, dass Gesetzgebung und Verwaltung von den selben politischen Kräften dominiert werden. Das Beispiel der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse zeigt, dass die Mehrheitsparteien des Nationalrats kaum Interesse haben, das Verhalten von Regierungsmitgliedern ihren Parteien effektiv zu kontrollieren. Eine Stärkung der parlamentarischen Minderheiten hat das etwas verbessert, müsste aber weiter ausgebaut werden.

Wirkungsvoller ist die kontrollierende Funktion der Justiz. Unabhängige Richter entscheiden frei von politischen Rücksichten und können so die Verwaltung, aber auch die Gesetzgebung zur Einhaltung der Rechtsordnung zwingen. Eine bedauerliche Schwäche besteht im Bereich der Strafjustiz in der mangelnden Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaften. Diese unterstehen dem Einfluss des Bundesministers für Justiz.

Österreich ist im Rahmen der EU eines der letzten Länder, die sich nicht aufraffen konnten, die Staatsanwaltschaften aus dem Einflussbereich eines politischen Organs zu lösen. Es ist daher nicht verwunderlich, dass im Zusammenhang mit Strafverfahren, die politische Relevanz haben, immer wieder Zweifel laut werden, dass rechtmäßig vorgegangen wird. Das schadet dem Ansehen der Gerichtsbarkeit; unabhängig davon, ob die Zweifel berechtigt sind oder nicht.