Ich habe in der Schule einen Witz erzählt, den ich gehört hatte. Nach Meinung des Direktors beleidigte der Witz den Führer. So forderte der Direktor meine Erschießung. Das war im April 1945. Zum Glück tötete sich der Führer bald darauf selbst, so war meine Erschießung nicht mehr so vordringlich, war doch die Rote Armee schon nahe. Sonst wäre der Direktor als Kriegsverbrecher eingestuft worden. So aber durfte er auch in der österreichischen Republik unterrichten und ging später regulär in Pension.
Mutter entschloss sich, aus Angst vor Russen, aber auch vor den Endsieg-Nazis, in die steirischen Berge zu flüchten. Eine Pass-Straße über den Alpenhauptkamm führte durch das Dorf, das aus Kirche, Gasthaus und Holzhäusern bestand. Mutter adaptierte ein Häuschen das im Winter gut geheizt war, denn das Dorf war von Wäldern umgeben. Wir hatten sogar Musik, nicht Radio, sondern ein Akkordeon, das uns der Pfarrer geliehen hatte.
Nun begann die spannendste Zeit meiner Jugend: der Rückzug der Wehrmacht aus Italien. Tag und Nacht rollten Fahrzeuge über den Pass und das Dorf. Wem der Sprit ausging, ließ den Lastwagen am Straßenrand stehen, warf Waffen und Munition weg und versuchte mitgenommen zu werden. Die meisten waren Reichsdeutsche. Die "Ostmärker" hatten es leichter, sie wanderten, bis sie zu Verwandten oder heim gelangten.
Wir Buben hatten nun alle Schätze: Lkw, sogar Panzer, Munition, Waffen. Schießen hatten wir nicht gelernt, aber wir knackten die Munition, lehrten das Pulver aus und versuchten, schöne Stichflammen zu produzieren. Man verbot uns das, aber es gab immer neue Lkw, die Ballast abwarfen. Dann kamen die Briten und wir glaubten, ihnen Freude machen, in dem wir ihnen unsere Munition brachten. Sie waren freundlich zu uns Kindern, brachten die Munition weg und schenkten uns Schokolade.
Bis heute wundert mich, dass die Infrastruktur im regionalen Bereich einigermaßen aufrecht blieb. Züge waren ungeheizt, aber sie fuhren fallweise, Ärzte ordinierten mit Restbeständen an Medikamenten, bis amerikanische Medizin eintraf. Apotheken erzeugten Heilmittel aus heimischen Rohstoffen. Der vierzig Jahre alte Autobus wurde in Betrieb genommen und da er die Pass-Straße seit vierzig Jahren kannte, fuhr er angeblich von allein und der Busfahrer konnte sich bei der Fahrt umdrehen und Witze erzählen - nun auch über Hitler.
Der Nazi-Bürgermeister übergab sein Amt dem Schwager, der vor dem Krieg Sozialist gewesen war. Da er aber im Dorf der einzige überlebende Sozi war, bot er als Ausgleich an, am Sonntag selbst die Kirchenglocken zu läuten. Als aber der Fürst, dem alle Wälder des Tales gehörten, zu Besuch kam, musste der Bürgermeister ihm die Hand schütteln, während andere die Glocken zu Ehren des Fürsten läuteten. Damit war das Ehrenamt als Glöckner beendet. Später hat er auch sein Amt als Bürgermeister einem Nachfolger - wahrscheinlich einem "Schwarzen" - übergeben.
Wolfgang Odelga (Jg. 1934),
Pensionist,
1030 Wien
Am 12. November 1918 wurde auf der Rampe des Parlaments in Wien die Gründung der Republik Österreich ausgerufen. Ein besonderer Anlass...
weiter
Ulla Weigerstorfer schaffte es auf´s Siegerstockerl der Miss-World-Wahl – ein Mädchentraum, den vermutlich viele jungen Damen träumen...
weiter
Stefan László gilt als Motor und Baumeister der Diözese Eisenstadt und wesentlicher Identitätsstifter für das heutige Burgenland...
weiter
Wer erinnert sich nicht an den originellen Mittelscheitel von Theo Lingen? Der 1903 in Hannover geborene Schauspieler...
weiter
Palmers ist Österreichs größter Textilkonzern. Die in dem typischen Palmers-grün eingerichteten Geschäfte waren schon eher Luxusshopping, aber dennoch...
weiter
Die erste Reichsbrücke, im 19. Jahrhundert als Reichsstraßenbrücke begonnen und im Jahr 1868 als "Kronprinz-Rudolf-Brücke" fertiggestellt und 1876...
weiter
Das Gedenk- und Erinnerungsjahr 2018 ist noch nicht zu Ende, aber zurzeit liegen immerhin bereits 7/8 des Jahres hinter uns und daher können wir...
weiter
Wien. Sechs Redner unternahmen am Montag in der Staatsoper den Versuch, mit eigenen Worten und eigenem Blickwinkel Geschichte und Gegenwart dieser...
weiter
Es war ein Fiasko. Im Dezember des Jahres 1918 riefen burgenländische Aufständische in Mattersdorf (ab 1924 Mattersburg) die Republik Heinzenland aus...
weiter