
1915: Als am 23. Mai Italiens Botschafter die Kriegserklärung von König Viktor Emanuel III. dem k.u.k. Außenminister Graf Burián überreichte, kam dies nicht unerwartet: Italien war zwar mit Österreich-Ungarn und dem Deutschen Reich im Dreibundvertrag, der 1912 bis 1920 verlängert worden war und eine wechselseitige Beistandspflicht vorsah, verbunden. Doch hatte Außenminister Graf Berchtold vor der Übergabe des Ultimatums an Serbien am 23. Juli 1914 Italien nicht verständigt. Dies war im Vertrag im Falle einer drohenden kriegerischen Auseinandersetzung vorgesehen, um die Absprache von Gebietskompensationen zu ermöglichen.
Gebietsansprüche
Italien erklärte seine Neutralität und beobachtete ab Kriegsbeginn genau den Verlauf der Kämpfe. Als dieser anfangs für die Mittelmächte sehr ungünstig war - der deutsche Vormarsch endete an der Marne, gegen Serbien gab es kaum Erfolge und dann Rückzug, Galizien musste gegen Russland bis vor Krakau aufgegeben werden und die Festung Przemysl war eingeschlossen und wurde ausgehungert - stellte Italien territoriale Bedingungen für einen Kriegseintritt: "Trento e Trieste" (wozu später noch Dalmatien kam). Franz Joseph lehnte sie kategorisch ab, erlaubte jedoch im März 1915 seinen Diplomaten, über das Trentino zu sprechen.
Aber Italien verhandelte bereits im Geheimen mit Frankreich und England - und die Entente konnte Italien leichten Herzens Tirol bis zum Brenner und die östliche Adriaküste bis Sibenic (ohne Rijeka) versprechen, dazu noch türkische Inseln in der Ägäis und künftig weitere Kolonien in Afrika. Am 25. April 1915 wurde in London der Vertrag unterschrieben und Italien zum Kriegseintritt binnen Monatsfrist verpflichtet. Der britische Versuch, auf der türkischen Halbinsel Gallipoli zu landen, stand vor einem Desaster, die serbische Armee war durch Epidemien und Erschöpfung kampfunfähig, in Galizien plante General Conrad mit einer Übermacht von deutschen und k.u.k. Armeen den Angriff auf die russische Front.
Stand die Kriegswende bevor? In Wien und Berlin - wo Wilhelm II. Franz Joseph sogar angeboten hatte, das von Friedrich II. 1742 genommene Schlesien zurückzugeben, um nur ja Italien vom Kriegseintritt abzuhalten - wusste man seit dem 3. Mai, als Italien den Dreibundvertrag kündigte, dass bald an einer weiteren Front zu kämpfen sein würde.

"Ein Treuebruch, dessengleichen die Geschichte nicht kennt" war Franz Josephs sprachlich gekonnte Antwort auf die italienische Kriegserklärung. Doch militärisch war man wenig vorbereitet: Die Flotte war noch im Aufbau, in Welschtirol der Festungsgürtel (halb) fertig, am Isonzo gab es keine Befestigungen und reguläre Truppen, sodass man die rasche Besetzung Triests und Laibachs, ja Villachs fürchtete - doch Italien zögerte mit dem Vormarsch. Für Tirol war man optimistischer, da die mit dem Hochgebirgsterrain vertrauten Tiroler und Vorarlberger Schützen ein erstes Aufgebot der Verteidigung bildeten, bis aus der russischen Front Divisionen herausgezogen werden konnten.
Krieg und Kriegsopfer
Die ersten Schüsse an der neuen Front von der Schweizer Grenze beim Ortler über den Isonzo bis zur südlichen Adria fielen am 23. Mai 1915 um Mitternacht am Grenzbach Judrio in Visinale nördlich von Cormons, in der bukolischen Landschaft des Collio (heute geschätzt von Gourmets und, da steuerschonend, neu sich ansiedelnden österreichischen Winzern). Das letzte Gefecht der k.u.k. Armee war, in einer gleich zu beschreibenden Landschaft, am 3. November 1918 in Volano, an der Etsch südlich Trients. Dazwischen lagen dreieinhalb Jahre mit zwei Millionen Toten und Verwundeten.
Im Vertrag von St. Germain, von dessen Verhandlungen Österreich ausgeschlossen war, erhielt Italien zwar Tirol südlich der alpinen Hauptwasserscheide (und zusätzlich das Becken von Innichen), das Isonzotal, Istrien und Triest, nicht aber das in London ebenfalls versprochene Dalmatien. Auch der neue südslawische Staat wurde von der Entente als Sieger behandelt. Obwohl Italien bis zum Waffenstillstand keines der zugesprochenen Gebiete hatte besetzen können, sah man das Ergebnis des Friedensvertrags als unbefriedigend an. Der Friede stürzte das Königreich ins wirtschaftliche und politische Chaos, aus dem Mussolini 1922 als Sieger hervorging. 1922/24 gelang es doch noch, Zara (Zadar) und Fiume (Rijeka) zu erhalten.
Denkmalsturz
1919 wurden in den zugesprochenen Gebieten fast alle an die alte Herrschaft erinnernden Statuen entfernt - doch nicht zerstört, sondern in Depots gelagert und die Sockel blieben stehen. Cormons schonte die Statue von Kaiser Maximilian I.: Er hatte 1487 bei der Aufnahme der Stadt unter Habsburgs Krone den Bürgern Steuerprivilegien gewährt.
Der faschistische Staat italianisierte die neuen Gebiete und markierte sie mit Siegesdenkmälern und Heldenfriedhöfen im antiken Stil und von monumentaler Größe: vom Passo di Tonale und Bolzano über den Monte Grappa bis Gorizia und Trieste. Ihre Inschriften beschwören die Wiedergeburt des Imperium Romanum, die Soldaten seien sinnhaft gestorben: Eroi, Helden. Die Toten seien mitten unter uns, Presente. Dieses Wort beherrscht das größte Denkmal, in Redipuglia nördlich von Monfalcone, wo 100.000 Leichen begraben sind. Es heißt, als Mussolini es 1938 der Nation übergab, habe man die Namen von 39.000 identifizierten Gefallenen aufgerufen, und symbolisch mit Presente, geantwortet. Damals hatte sich Italien bereits in den nächsten Krieg verwickelt, um Kolonien in Nordafrika.