Die nicht endende Gewalt in Ägypten erfüllt auch die arabischen Länder mit großer Sorge - diese gilt jedoch nicht den bedrängten Muslimbrüdern. Ebenso wenig sorgt sich die Mehrheit der arabischen Staaten um die junge ägyptische Demokratie. Von Jordanien bis Saudi-Arabien hoffen die Machthaber vielmehr auf die Stärke der ägyptischen Armee, die den Umtrieben der Muslimbruderschaft ein Ende bereiten soll. Denn die Furcht vor einem Export des Aufstands ist von Riad bis Amman groß.

Nur Katar und Tunesien, wo die islamistische Ennahda-Partei ebenfalls mit landesweiten Protesten konfrontiert ist, verurteilten die Gewalt der ägyptischen Sicherheitskräfte gegen die Muslimbrüder und Anhänger des Anfang Juli vom Militär gestürzten ersten demokratisch gewählten Präsidenten Ägyptens, Mohammed Mursi.

Ansonsten herrschte lautes Schweigen angesichts von mehr als 800 Toten in den vergangenen Tagen. Bis der saudi-arabische König Abdallah am Freitag der ägyptischen Führung seine Unterstützung erklärte: Angesichts des "Terrorismus", dem sich Kairo gegenüber sehe, rufe er "die Ägypter, die Araber und die Muslime auf, sich denen entgegenzustellen, die Ägypten zu destabilisieren suchen".

"Alle Golf-Monarchien mit Ausnahme Katars und ebenso Jordanien sowie die übrigen arabischen Länder fürchten den Export der Revolution der Muslimbrüder", sagt der Arabien-Experte Khattar Abou Diab, Professor in Paris. "Deshalb setzen sie auf die Rückkehr des klassischen Schemas einer starken Zentralgewalt in Ägypten, einem der Schlüsselländer der arabischen Welt."

Insbesondere Riad wolle keine starken Muslimbrüdern in der Region. Saudi-Arabien stehe an der Spitze einer Mehrheit arabischer Länder, die "mit Missfallen" der Türkei und dem Iran dabei zusähen, wie sie "auf allen die arabische Welt betreffenden Feldern" ihren Einfluss stetig vergrößerten, sagt Diab.

Die islamisch-konservative türkische Regierung hat ihre Wurzeln in der Muslimbruderschaft. Im Zuge des Arabischen Frühlings erstarkte Ankara weiter zu einer Regionalmacht, die sich zunehmend in arabische Belange einmischt. Der schiitische Iran seinerseits - seit jeher der Hauptgegenspieler des sunnitischen Herrscherhauses in Riad - nutzte den syrischen Bürgerkrieg zu einer Verfestigung der Beziehungen zu Damaskus. Teheran unterhält zudem enge Beziehungen zu den Muslimbrüdern in Ägypten.

Riad und Abu Dhabi glaubten, dass die Muslimbrüder "regionale Ambitionen" hätten, sagt Stéphane Lacroix, Wissenschaftler an der Science-Po in Paris. Sie witterten eine mögliche "Gefahr für die Golf-Monarchien", die "demokratische Regime" anders als Diktaturen als "zu schwach" ansähen. Der auf die Muslimbruderschaft spezialisierte Lacroix weist zudem auf das zerrüttete Verhältnis Riads mit den Muslimbrüdern hin. Die Saudi-Monarchie verzeihe der Bruderschaft ihre guten Beziehungen zum schiitischen Iran nicht. Für Riad sei das aus geopolitischer Sicht eine überschrittene "rote Linie".

Der Nahost-Experte beim Brookings Doha Center, Shadi Hamid, erinnert daran, dass der saudi-arabische Innenminister Prinz Nayef 2002 öffentlich erklärte, dass "alle extremistischen Gruppen aus den Muslimbrüdern hervorgegangen" seien. Riad werfe den Muslimbrüdern vor, der Ursprungsort der dschihadistischen Ideologie zu sein.

Verschlechtert habe sich das Verhältnis, das zuvor drei Jahrzehnte lang gut gewesen sei, seit dem ersten Golfkrieg 1990. Damals kritisierten die Muslimbrüder Saudi-Arabien dafür, dass es US-Stützpunkte im Land duldete. Viele Muslimbrüder wurden aus Saudi-Arabien ausgewiesen. Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 verschlechterten sich die Beziehungen rapide.

Für andere Beobachter ist der Arabische Frühling bereits so gut wie passé. Die "demokratische Option in der arabischen Welt ist mehr oder weniger gestoppt", sagt Diab. Und die Entwicklung in Ägypten könne sich wie eine "Öllache" nach Tunesien und Libyen ausbreiten.