
"Neun. . . Acht. . . Sieben. . . Sechs. . . Fünf. . . Vier. . . Drei. . . Zwei. . . Eins. . . Zero!" Professor Bienlein liegt bäuchlings auf einer Matratze, auf seiner Stirn steht der Schweiß, und er drückt mit den Worten "Nun Gnade uns Gott" den Startknopf. Im nächsten Bild umhüllen Rauchwolken die rot-weiße Rakete, die vor einem wolkenlosen Nachthimmel auf der Startrampe steht, sich wie zum Sprung ansetzend am unteren Bildrand duckt.
Eine Sekunde danach befindet sich die Rakete schon am oberen Bildrand, empor katapultiert von einem mächtigen, kerzengeraden, hellgelben Feuerstrahl. Die Bilder zeigen nun die fünfköpfige Crew - Bienlein, Tim, Kapitän Haddock, Ingenieur Wolff und Struppi - flach liegend, von der Beschleunigung in ihre Matratzen gedrückt. Sie verlieren das Bewusstsein, die Funksprüche der Bodenstation bleiben daher unbeantwortet. In 800 Kilometer Höhe zündet planmäßig der Atommotor - bis dahin hatte der konventionelle Antrieb für Auftrieb gesorgt, um den Startplatz nicht nuklear zu verseuchen.
Und dann zeigt ein spektakuläres großformatiges Bild, wohl eines der detailliertesten der Comic-Geschichte, einen Teil des Südens von Europa von oben, auf den Kopf gestellt und aus dem Weltraum gesehen (siehe Abbildung rechts). Man erkennt darauf deutlich den reliefartigen Bogen der Alpen, den Stiefel Italien, der in das Mittelmeer ragt, und die Küsten Nordafrikas - und quer darüber, dem oberen rechten Bildrand zustrebend, über zwei Kontinente und das Meer hinweg fliegend, die rot-weiße Rakete, effektvoll direkt auf den Betrachter zu, und gleich darauf, auf einem kreisrunden Bild, von unten gesehen, in den Sternenhimmel hinein rasend.

Mit diesem Blick durchs Fernrohr auf die sich entfernende Rakete, die mit einer Geschwindigkeit von "9,133" Kilometern pro Sekunde das Kraftfeld der Erde verlässt, endet "Reiseziel Mond", der erste Teil des als Doppelalbum konzipierten Mondabenteuers. An Bord sind alle ohnmächtig, und noch weiß niemand, ob diese Reise gelingen und wie sie enden wird. Ein klassischer Cliff-Hanger.
Hergé war am Zenit seiner Karriere, als er 1950 das Mondabenteuer begann. Er war nicht nur ein begnadeter Zeichner, er war auch ein brillanter Erzähler, der wusste, wie man Spannung aufbaut und über lange Distanzen hält. 1929 hatte er "Tim und Struppi" erfunden, mit Action und Komik im Stil Buster Keatons berühmt gemacht und den furchtlosen jungen Reporter und seinen frechen weißen Foxterrier zwei Jahrzehnte lang rund um den Globus auf Jagd nach Verbrechern - Drogenschmugglern, Falschmünzern, Sklavenhändlern, Waffenschiebern - geschickt.