"Wiener Zeitung":Russland will ab 2025 eine Mondkolonie errichten. Was würde das kosten?

Florian M. Nebel: 2015 habe ich in "Die Besiedlung des Mondes" die Kosten für eine Mondsiedlung als Basis für Flüge zum Mars je nach Ausbaustufe und Dauer zwischen 30 und 300 Milliarden Euro geschätzt. Ich denke, seither hat sich das weiter verbilligt, sodass man wohl eine relativ große Mondsiedlung mit mehreren hundert Einwohnern unter 200 Milliarden Euro bekäme. Fair auf mehrere Schultern verteilt, käme Österreich zum Beispiel auf 90 Millionen Euro im Jahr, bei einer Laufzeit von 30 Jahren.

Florian M. Nebel ist Physiker und arbeitet bei einem europäischen Luft- und Raumfahrtkonzern. - © privat
Florian M. Nebel ist Physiker und arbeitet bei einem europäischen Luft- und Raumfahrtkonzern. - © privat

Kann sich das amortisieren?

Ich denke schon, wobei das extrem schwierig zu sagen ist. In meinen Berechnungen habe ich die Mondsiedlung lediglich Treibstoff für Marsreisen produzieren lassen. Anhand dessen, was man durch den Start vom Mond aus spart, kann man sich tatsächlich eine Rendite ausrechnen. Inwieweit diese Zahlen belastbar sind, ist eine andere Geschichte.

Florian M. Nebel: "Die Besiedlung des Mondes". Landwirtschaftverlag Münster; 180 Seiten; 20,50 Euro
Florian M. Nebel: "Die Besiedlung des Mondes". Landwirtschaftverlag Münster; 180 Seiten; 20,50 Euro

In "Die Besiedlung des Mars" gehen Sie jetzt einen Schritt weiter. Aber wäre das Geld für die Kolonisierung nicht besser in die Hungerhilfe auf der Erde investiert?

Die Besiedlung von Mond und Mars ist aus meiner Sicht eine Art Plan B, falls es uns wirklich nicht gelingt, die wirklich gravierenden Probleme wie den Klimawandel in den Griff zu bekommen, oder falls wir uns doch noch selbst durch einen Atomkrieg vernichten oder eine andere riesige Katastrophe die Erde heimsucht, sei es ein Asteroideneinschlag oder eine Virusepidemie. Da wäre es gut, eine Kolonie außerhalb der Erde zu haben, die sich auch selbst versorgen und so die Menschheit retten kann. Und denken Sie an die Siedlerwelle von Europa nach Nordamerika: Das war am Anfang auch nicht sofort gewinnbringend, und heute ist der transatlantische Handel die wichtigste Säule unserer Wirtschaft. Wenn man die Kolonisierung von Mond und Mars auf 200 oder 400 Jahre betrachtet, wird man die Vorteile durch interplanetaren Handel sehen.

Florian M. Nebel: "Die Besiedlung des Mars". Eigenverlag; 173 Seiten; 29,95 Euro
Florian M. Nebel: "Die Besiedlung des Mars". Eigenverlag; 173 Seiten; 29,95 Euro

Aber allzu viele Leute wären das nicht, oder?

Hundert bis tausend Personen könnten umgesiedelt werden, und von da aus würde die natürliche Bevölkerungsentwicklung ihren Gang nehmen und genauso exponentiell wachsen wie auf der Erde, irgendwann wären es also hunderttausende, Millionen und Milliarden Menschen.

Bietet der Mars überhaupt genügend Ressourcen für eine Kolonisierung? Man kann ja nicht alles von Erde und Mond aus mitbringen.

Das stimmt, das wäre zu kostenintensiv. Die gängigen Visionen sehen so aus, dass man die Oberfläche mit mitgebrachten Habitaten besiedelt. Mein Ansatz hingegen ist, erst einmal unterirdische Siedlungen ins Gestein zu graben, mit hermetisch verschlossenen Zugängen für eine atembare Atmosphäre. Da hätte man die Wände gratis, das Strahlenschutzproblem wäre gelöst, und die Siedler wären vor Mikrometeoriten geschützt. Dort könnte man Produktionskapazitäten etablieren, um Glas und Metall selbst herzustellen und an der Oberfläche zu bauen. Die Gravitation auf dem Mars beträgt ein Drittel der Erdschwerkraft. 150 statt 50 Kilo heben zu können, würde möglicherweise den Siedlungsausbau beschleunigen. Ein Problem ist, dass wir bisher maximal 900 Kilo an Material auf dem Mars landen können. Für eine Siedlung müssten wir aber in die Größenordnung von 20 Tonnen vorstoßen, das beherrschen wir noch nicht.