Peking/Washington. Als Yang Liwei am 16. Oktober 2003 aus seiner bronzefarbenen Raumkapsel steigt, wirkt der 38-jährige Taikonaut noch etwas wackelig auf den Beinen. Umringt von den laut durcheinander rufenden Mitgliedern der Bergungsmannschaften versucht der neue "Held des Weltalls" der Bedeutung des Augenblicks dennoch gerecht zu werden. Tapfer winkt Yang in die Kameras der Staatsmedien, die den ersten Raumflug eines Chinesen schon in den Tagen zuvor minutiös dokumentiert hatten.

Mit dem "großen Sprung in den Himmel" hatte die Regierung in Peking vor 16 Jahren ein nationales Prestigeprojekt verwirklicht. Nach mehr als vier Jahrzehnten, in denen die Russen und die Amerikaner allein im Weltall waren, ist es der Volksrepublik als drittem Land der Welt gelungen, einen Menschen in den Orbit zu schießen.

Doch die Reise des "Shenzou-5"-Raumschiffs, mit dem Yang 14 Mal die Erde umrundete, ist für China erst der Anfang gewesen. Parallel zum unaufhaltsamen wirtschaftlichen Aufstieg will die Volksrepublik auch im All noch viel weiter hinaus. Schon 2007 schickt China mit "Chang’e 1" erstmals eine eigene Sonde zum Mond, die den Erdtrabanten monatelang aus dem Orbit untersucht, 2011 wird mit "Tiangong 1" eine kleine Raumstation in die Erdumlaufbahn gebracht. Nur zwei Jahre später gelingt China dann als dritter Nation auch eine Landung auf dem Mond, der umbenannte Rover namens "Jadehase" erkundet nach dem Aufsetzen drei Monate lang die Oberfläche.

Vom Nachzügler an die Spitze

Für die Führung in Peking sind diese Missionen immer auch eine Gelegenheit für das große Propaganda-Feuerwerk: China, das bei der Eroberung des Alls jahrzehntelang im Schatten der USA und Russlands stand, schließt nun endlich zu den beiden Weltraum-Großmächten auf.

Doch für die kommunistische Regierung geht es laut Raumfahrtexperten schon längst nicht mehr nur darum, dem eigenen Volk und der Welt die gestiegenen technologischen Fähigkeiten des Riesenreichs zu demonstrieren. Die Volksrepublik soll mit Hilfe des eng durchgetakteten Weltraumplans über kurz oder lang auch zum entscheidenden Spieler in der Raumfahrt werden. "Alles baut aufeinander auf", sagt Ouyang Ziyuan, der führende wissenschaftliche Berater des chinesischen Mondprogramms.

Dass das Reich der Mitte schon jetzt kein Nachzügler mehr ist, zeigt dabei nicht nur die "Chang‘e 4"-Mission, in deren Rahmen China im Jänner 2019 als erstes Land der Welt eine Sonde auf der erdabgewandten Seite des Mondes abgesetzt hat. China gibt für seine zivilen und militärischen Raumfahrtprogramme mittlerweile auch mehr aus als Russland und Japan und belegt damit hinter den USA Rang zwei. Ohnehin vorn liegt China seit 2018 bei der Zahl der ins All geschossenen Raketen. So entfielen von den weltweit 114 Raketenstarts im vergangenen Jahr 39 auf China, 31 auf die USA und 20 auf Russland. Und die Last, die die neuen chinesischen Raketengenerationen tragen können, steigt dabei stetig an.