"A Silent Voice" hat diese schöne Botschaft. Aus dem Off fragt es da: "Was ist nötig, um in eine Welt zu passen, die dich nicht hört?" Der international gefeierte Zeichentrickfilm von 2016 handelt von Mobbing in einer japanischen Schule, wo am Ende nicht nur das Opfer, sondern auch der Täter zu leiden hat. Isoliert vom Rest der Klasse, nähern sich die beiden Hauptfiguren wieder einander an, denn geteiltes Leid ist halbes Leid. So prangt schon im Trailer des Films ein Plädoyer für Empathie: "Manchmal ist die Antwort, einfach zuzuhören."
Es sind Sätze, die in Japan derzeit nicht ohne Schlucken runtergehen. Das Studio, das "A Silent Voice" produziert hat, ist zur Ruine verkommen, am Donnerstag brannte es stundenlang. Es war zuvor mutmaßlich mit Brennstoff angesteckt gesteckt worden. Den Tatverdächtigen, der dabei selbst verletzt wurde, fasst die Polizei am selben Tag, er wurde ins Krankenhaus eingeliefert. Unterdessen aber starben 33 Menschen und 35 wurden verletzt. Der Mordanschlag auf KyoAni, wie das weltweit beliebte Studio auch genannt wird, ist der tödlichste Anschlag in Japan seit fast 20 Jahren.
Motiv: Ideenklau?
Zahlreiche Menschen legten vor dem niedergebrannten Gebäude Blumen nieder und beteten für die Verstorbenen. Auf Twitter trendete der Name des Betriebs, Premierminister Shinzo Abe bezeichnete den Fall dort als "zu grausam, um Worte zu finden." Dabei scheint es, als wäre die Tat nicht nur ein wilder Kahlschlag, sondern ein gezielter Vergeltungsschlag gegen den Betrieb in Kyoto. "Sterbt!", habe der 41-Jährige laut Augenzeugen gerufen, als er das Gebäude in Brand setzte. Und als ihn die Polizei nach seinen Motiven verhörte, ehe er ins Krankenhaus kam, sei das Wort "pakuri" gefallen, was sich übersetzen lässt mit Ideenklau, Plagiat oder Abzocke. Später berichtete der Präsident von Kyoto-Animation, Hideaki Hatta, dass über die letzten Jahre vermehrt Morddrohungen im Haus eingetroffen waren. So titelte die Qualitätszeitung "Asahi Shimbun" am Freitag: "Hinter dem Brandanschlag könnte Wut über eine gestohlene Story stecken." Auch die Nachrichtenagentur Kyodo News gab diese Information heraus.
Zwar ist der Tatverdächtigte kein Mitarbeiter des Betriebes und lebt von Arbeitslosenhilfe. Trotzdem fragt sich die japanische Öffentlichkeit nun, ob die Tat dennoch in einem Zusammenhang mit einem vorigen Ideenklau stand. Denn selbst falls jenseits der Unverhältnismäßigkeit eines Mordanschlags auch die erhobenen Vorwürfe völlig haltlos sein sollten, wäre die Kritik für Japans weltweit erfolgreiche Kreativbranche an sich nichts Neues. Mit Ausbeutung wurde sie immer wieder konfrontiert.