Ausgerechnet Gustav Gans, der alte Falott. Den haben schon die Leser der allerersten Ausgabe des "Micky Maus Magazins" kennengelernt. Das hieß damals noch weniger neumodisch "Das bunte Monatsheft", aber es war 1951 und da war es tatsächlich eine Innovation, dass jedes einzelne Comic-Kasterl in Farbe war. Gustav, der Glücksganter mit den Gamaschen, misst sich hier in einer Geschichte mit Donald Duck im erwerbstätigkeitslosen 10-Taler-Auftreiben. Am Ende werden beide von den Neffen Tick, Trick und Track zur Raison gebracht. Apropos Glückskind: Wer heute eine Originalausgabe der ersten "Micky Maus", die am 29. August 1951 erschienen ist, in seinem Comic-Tresor hat, der kann von Fortüne reden. Solche Originale können bis zu 13.000 Euro wert sein. Aber nur wenn sie keinerlei Gebrauchsspuren haben.
Wer sich jetzt denkt, halt, da war doch was: Der Nachdruck, der sich in so mancher mehr oder weniger ambitionierten "Micky-Maus"-Sammlung findet, hat übrigens nur emotionalen Wert. Und der lässt sich gerade jetzt, wenn das "Micky Maus Magazin" seinen 70. Geburtstag feiert, wieder einmal trefflich bemessen. Die 50er, auch noch die 60er waren keine Ära, in der Comics ein besonderes Renommee hatten. Im Gegenteil, mit solchen "Schundheften" ließ man sich besser nicht erwischen, und wer seine Micky Maus mit der Taschenlampe unter der Bettdecke gelesen hat, der hat jetzt zum Beispiel ziemlich sicher das Problem mit den wertmindernden Gebrauchsspuren. Man fürchtete das Machwerk aus dem Hause Disney als "anspruchslose Hefte für Analphabeten", die zu einer "völligen Verflachung des Verstandes" führen würden.

Das ist einer der Gründe, warum Donald Duck und die ganze Entenhausener Sippe so beiläufig bildungsbürgerlich sprechen. Dieses auffallende Idiom verdanken sie der ersten und langjährigen Chefredakteurin der "Micky Maus", Erika Fuchs. Sie legte ihren Ehrgeiz daran, Trivialitätsvorwürfen den Wind aus den Segeln zu nehmen. Sie übersetzte bis 1972 praktisch alles alleine, aus dem Enten-Universum stammten die Originalstorys meist von Großmeister Carl Barks. Ihre Wortschöpfungen und unvermittelt eingeflochtenen Klassikerzitate sowie die lautmalerische Gestaltung durch den sogenannten "Erikativ" ("Klatsch", "Grübel", "Heul") haben sich noch in den heutigen Sprachgebrauch eingeschrieben. Fuchs sagte: "Man kann gar nicht gebildet genug sein, um Comics zu übersetzen." Generationen von Donaldisten und weniger dogmatischen Entenfans sollten ihr dafür danken. Wer mit solchen Sprechblasen Lesen lernt, wird für immer ein besonderes Gefühl für Sprache haben. Aber auch die Allgemeinbildung profitierte von der Comic-Lektüre. Nicht wenige haben als Kind die Genugtuung erfahren, auf die Frage "Woher weißt du so was?" antworten zu können: "Aus der Micky Maus."
1,3 Milliarden verkaufte Hefte
1951 wurde der Ehapa Verlag als Tochter des dänischen Egmont-Verlags gegründet - einzig zur Veröffentlichung der "Micky Maus". Ohne den Erfolg dieses Produkts wären weitere heutige Comic-Klassiker wie "Asterix" oder "Lucky Luke" gar nicht möglich gewesen. Seit dem 29. August 1951 sind mehr als 3.300 Ausgaben erschienen, mehr als 1,3 Milliarden Hefte wurden verkauft. Das ist einmal bis zum Mond und zurück. Wie oft man damit bis zum Duck-Abenteuerziel "Land der viereckigen Eier" und zurück kommt, ist nicht überliefert.
Schon bald bürgerte sich ein, dass die Comics in aller Welt gezeichnet wurden, in den 60ern kamen die ersten nicht mehr aus den USA, sondern aus Italien und Dänemark. Auch wenn einige Künstler nun schon mit dem Computer zeichnen, ist doch zumindest die Jubiläumsausgabe von Handarbeit geprägt. Für die große Jubel-Geschichte arbeitete Zeichner Ulrich Schroeder gar mit alten Tuschfedern, wie sie schon Carl Barks vor 70 Jahren verwendet hat - für den ganz authentischen Nostalgie-Entenlook.
Pikante Parallele
Diese Geschichte hat für Freunde der Fuchsschen Donaldie eine besondere Ironie zu bieten. Muss doch der Erpel mit einer Düsentrieb-gesteuerten Zeitmaschine in die Vergangenheit fliegen, um die erste Nummer eines Comichefts zu ergattern, die er seinen Neffen abgenommen und dann natürlich unabsichtlich geschreddert hat. Während er in der Jetztzeit überkommenen Ästhetikvorstellungen anheimfällt ("Bilderheftchen. Ein Jammer, dass der Jugend dieser Tand gefällt") wird er ausgerechnet im Jahr 1951 eines Besseren belehrt. Das hat eine pikante Parallele zu einer Debatte, die diesen Sommer Donaldisten beschäftigt. Denn der Egmont-Ehapa-Verlag hat sich entschieden, manche Fuchs-Wortschöpfungen (etwa den Namen Fridolin Freudenfett für einen üppigen Schweinemann) aus Sorge vor politisch korrekten Repressionen witzfrei zu ändern (Fridolin Freundlich). Es entsteht der Eindruck - wie in der Jubiläumsgeschichte -, dass ausgerechnet die miefigen, moralinsauren 50er Jahre mehr kreative Freiheiten ermöglichten als unsere durch vorauseilenden Gehorsam bieder werdende Zeit.
Anfangs erschien das "Micky Maus Magazin" monatlich, Anfang 1956 wurde die Zeitschrift auf ein 14-tägiges Erscheinen umgestellt. Ab Ende 1957 kam die "Micky Maus" wöchentlich auf den Markt. Aber auch an der Micky Maus ist die Krise der Printmedien nicht spurlos vorübergegangen: Seit 2017 erscheint sie wieder alle zwei Wochen. Die verkaufte Auflage ist seit 1998 um 89 Prozent gesunken. Allerdings ist die Konkurrenz auch gewaltig. Heute buhlen fast 200 regelmäßig erscheinende Kinder- und Comicmagazine um die Gunst der Leserschaft.
Furzkissen für Detektive
Dass Kinder auch trotz der omnipräsenten Smartphonebeschäftigung immer noch Wert auf Bildergeschichten legen, ist statistisch belegt. Interessanterweise legen sie aber auch Wert darauf, diese auf Papier zu konsumieren - und nicht als E-Paper. Das könnte wiederum an dieser einen Sache liegen, die für das "Micky Maus Magazin" fast so typisch ist wie für das "Yps" dereinst und die sich digital halt nicht so gut macht: das Extra. 1958 gab es das erste Geschenk für Leser: eine rote Sonnenblende aus Pappe und mit Maus-Konterfei. Es folgten (unter anderem!) Fingerabdrucksets für Detektive, Lupen für Agenten, neonfarbene Schallplatten aus Plastikfolie, Hitzefrei-Thermometer, Furzkissen und andere Scherzartikel, Zaubertrick-Löffel, Federmäppchen, Kulis, und die ganze Palette an Stickers, von herkömmlich bis zu zum Rubbelbild, mit Glitzer und in den 80ern besonders innovativ: Hologramm! Sehr legendär auch die klebrigen Donald-Watschelfußabdrücke, die manche Eltern nach der Anbringung auf dem Parkettboden bei aller Entenliebe kurz die Contenance verlieren ließen. Aber mit denen konnte man wenigstens wirklich nie mehr vergessen, welcher der wichtigste Tag der Woche war: der Donnersduck.