Die Pubertät ist keine leichte Zeit. Schon gar nicht, wenn sie durch gewisse Umstände erschwert wird. Da ist zum Beispiel Raina Telgemeier: Die heute 44-Jährige musste in ihrer Jugend nicht nur eine Zahnspange tragen, sondern gleich mehrere Jahre lang eine Kieferkorrektur nach der anderen erdulden, nachdem sie sich bei einem kleinen Sturz zwei Schneidezähne ausgeschlagen hatte. Cece Bell (51) wiederum wurde als kleines Kind durch eine Erkrankung taub und musste in den 1970ern und 1980ern ein Hörgerät vom Ausmaß eines Transistorradios mit sich herumschleppen - zumindest in ihrer subjektiven Wahrnehmung. Peinlicher gehts gar nicht. Oder vielleicht doch, denn Jarrett J. Krosoczka (44) hatte überhaupt die Arschkarte: Seine Familie wurde von der Drogensucht der Mutter, die irgendwann verschwand, zerstört. Seinen Vater kannte er zunächst nicht einmal, und die Großeltern, die ihn großzogen, schwiegen lieber, als dem Buben zu erklären, was eigentlich los war.
Freundschaft und Mobbing
Was die drei verbindet: Alle drei sind heute erfolgreiche Cartoonisten. Und alle drei haben jetzt, als längst Erwachsene, ihre Kindheits- und Jugenderinnerungen in Form von Graphic Novels niedergeschrieben, Raina Tengelmeier in "Smile", Cece Bell in "El Taubinio" und Jarrett J. Krosoczka in "Hey, Kiddo". Die deutschen Fassungen dieser autobiografischen Comicbücher sind nun im "Graphix-Programm des Loewe Verlags erschienen. Die Aufarbeitung der persönlichen Schicksale und die Schilderung der Methoden, wie die Betroffenen jeweils damit fertiggeworden sind, soll heutigen Kindern und Jugendlichen Mut machen. Denn alle drei haben sich von den Prügeln, die ihnen das Leben vor die Füße geworfen hat, nicht unterkriegen lassen.

Raina hat sich soeben zwei Schneidezähne ausgeschlagen.
- © Loewe Graphix / Raina TelgemeierCece Bell zum Beispiel mutiert in ihrem Comic zu "El Taubinio", wird also mit ihrem riesigen Hörgerät zur Superheldin, zumindest in ihrer Vorstellung. Eine Strategie, die ihr zu erkennen hilft, wer ihre wahren Freunde sind und was sie von diesen braucht. Überhaupt spielt das Thema Freundschaft eine wichtige Rolle in den drei Büchern. Und auch Mobbing. Manchmal ist es ein schmaler Grat, der das eine vom anderen trennt. Denn sehr schnell können sich verständnisvolle und fürsorgliche Mitmenschen ins Gegenteil verwandeln. Dann nämlich, wenn sie von jenen, die sie doch bemitleiden und um deren Wohlergehen sie sich Sorgen machen, rüde Zurückweisung erfahren. Wenn ihnen die Person mit Handicap, der sie eigentlich helfen wollen, mit dem Arsch ins Gesicht fährt, wie es so unschön heißt.
Sich (nicht) helfen lassen

Jarrett hadert mit seiner Mom.
- © Loewe Graphix / Jarrett J. Krosoczka:Das ist nämlich auch ein Thema, das vor allem Raina Telgemeier und Cece Bell im Rückblick aufarbeiten: wie sie selbst mit den Reaktionen ihrer Umgebung auf ihre Lebensumstände und scheinbaren Unzulänglichkeiten umgegangen sind. Es kann nämlich für beide Seiten schwierig sein, mit der Situation umzugehen, wenn etwa eine Taube nicht von den Lippen ablesen kann, weil das Licht abgeschaltet ist oder der Sprechende sich weggedreht hat, ihr es aber zu peinlich ist, das zuzugeben. Oder wenn sich ein Mädchen so sehr für sein Gebiss schämt, dass die Peinlichkeiten-Vermeidungshaltung dann erst recht auffällt und das Ganze peinlich werden lässt. Ganz zu schweigen davon, dass Drogensucht damals wie heute ein Tabuthema war und ist.
Wer nicht mit der angebotenen Hilfe anderer umgehen kann, wird bald feststellen, dass die Helfenden auch nicht so gut mit ihr oder ihm umgehen können. Es sind also Graphic Novels, die sich an beide Seiten richten: an potenzielle Leidensgenossen, die nicht "normal" sind, also durch irgendein Handicap oder ein Problem aus der Norm fallen; aber auch an all die anderen vorgeblich "Normalen" rundherum, die sich damit schwertun, über eine scheinbare Absonderlichkeit hinwegzusehen beziehungsweise sie einfach so zu nehmen, wie sie ist, und im Umgang mit den Betroffenen die richtige Dosis Empathie ohne Bemitleidung von oben herab zu finden.