"Tausche Dein Profilbild gegen den Comic-Helden Deiner Kindheit", wurde im November 2010 im virtuellen Freundeskreis Facebook aufgefordert. Die Resonanz zeigte, dass die Comic-Helden von einst bei der abgebrühten Generation 30plus nichts von ihrer heroischen Strahlkraft verloren haben. Hunderttausende änderten ihr Profilbild - aus Holger wurde Homer, aus Barbara Batgirl und aus Doris wurde Donald Duck. Die Freundeslisten lasen sich wie ein Who is Who der Comicwelt: Pumuckl, Popeye, He-Man, Nick Knatterton, Wickie, Spider-Man, Mickey Mouse und Captain Future - sie alle waren mit einem Mal wieder zurück im Alltag. Enddreißiger alias Donald Duck und Superman führten hitzige Nostalgiedebatten über die Helden ihrer Kindheit. Donald und Superman - der eine liebevoller Tollpatsch und Pechvogel, der andere mit übermenschlichen Fähigkeiten ausgestattet und der personifizierte Edelmut. Beide auf ihre Art wurden in den vergangenen Jahrzehnten zu den Parade-Helden aus der Comicwelt, mit Donald kann man lachen, weinen, sich stark fühlen angesichts des vielen Pechs, das der Ente zuteil wird. Superman ist das perfekte Vorbild: Er rettet die Welt, ohne einen direkten Nutzen wie Ruhm und Ehre zu haben - nicht einmal der Frau, die er liebt, kann Clark Kent sagen, dass er in Wahrheit Superman ist. "Die Figur des Superhelden ist bekannt - bereits aus der Antike", erzählt der Zeichner und Comic-Experte Gottfried Gusenbauer im Gespräch mit dem "Wiener Journal". "Die Superhelden wie Spiderman und Batman stehen in einer Tradition mit Herkules und den Göttersagen, sie nehmen auch Anleihen davon."

Superman gilt als der erste unter den Superhelden, er wurde in den 1930er-Jahren erfunden und bald zu einer amerikanischen Ikone und politischen Figur. Erst kürzlich meldete er sich allerdings mit einer ernüchternden Nachricht zu Wort: "Ich bin es leid, dass meine Taten als Instrumente der US-Politik ausgelegt werden", sagte er in einem neuen Comic zum Sicherheitsberater des US-Präsidenten und kündigte an, seine Staatsbürgerschaft zurückzulegen. Die Welt, die Superman retten muss, ist komplexer geworden - in den Anfangszeiten des Helden vom Planeten Krypton waren die Feinde eindeutiger. Im Zweiten Weltkrieg kämpfte Superman auf der Seite der Alliierten gegen die deutschen Truppen. Jüdische, oft emigrierte Zeichner ließen Hitler, Stalin und Mussolini als Feindbilder in den Comics auftreten. Amerikanische Soldaten bekamen Superman-Comics zur Erbauung in die Kriegsgebiete geschickt. "Superman flog ins Ausland, nahm Hitler und Stalin mit und stellte sie vor das Kriegsverbrechertribunal", erzählt Gusenbauer. "Nach dem Krieg sind viele Helden weggebrochen, man hat nicht mehr genau gewusst, gegen wen man kämpfen soll." Superman blieb der personifizierte amerikanische Held, stark, edel und gutaussehend. Und er erfüllt alle Kriterien eines Superhelden: Er trägt ein unverwechselbares Kostüm, das seine geheime Identität schützt, hat übermenschliche Kräfte, er hat eine geheimnisvolle Lebensgeschichte, die ihn zum Superhelden werden ließ. Dazu noch ein Erzfeind, eine verwundbare Stelle - bei Superman ist es die Nähe zu Kryptonit, die seine Kräfte schwinden lässt - und ein Alltagsberuf, der ihm die doppelte Identität erlaubt. Superman etwa ist als Clark Kent Reporter bei einer Tageszeitung, seine Kollegin Lois Lane ist tragischerweise in Superman verliebt, nicht aber in das Alter Ego Kent, der Lois Lane abgöttisch liebt und mit sich selbst als Konkurrent ringt. Auch in solchen Situationen stark zu bleiben, zeichnet Superhelden aus. "Oft sind die Frauen in die Superhelden verliebt, nicht aber in die Alter Egos", erzählt Gusenbauer. "Ein Mensch würde in der Situation Muskeln zeigen, der Superheld ist dafür zu edel." Auch der 60er-Jahre-Held Hal Jordan, der als "Green Lantern" nun im Sommer als Kinofigur wieder zurückkehrt, ist in seine Chefin verliebt - sie allerdings in den Superhelden Grüne Laterne. Die Grüne Laterne erschien erstmals in den 1940er-Jahren als Comic und ist ebenfalls im berühmten Verlag DC Comics erschienen, der auch Superman herausbrachte. Andere Helden von DC Comics sind Batman und Flash - und auch die erste weibliche Superheldin: Wonder Woman. Der Verlag brachte zu seinem Jubiläum kürzlich einen Festband der anderen Art heraus - auf über 700 Seiten erzählt der langjährige Zeichner und Herausgeber Paul Levitz im sieben Kilo schweren Wälzer "75 Years of DC Comics" von der Kunst, moderne Mythen zu schaffen. Begleitet von hunderten Zeichnungen beschreibt er den Weg, wie aus der Idee der antiken Helden und Götter die gezeichneten Heroen in bunten Anzügen wurden, die fortan Unheil vom Vaterland abhalten sollten. Und von ihren furchtlosen Widersachern, Rächern in Masken und Bösewichten mit Geheimwaffen. Levitz teilt die Entwicklungsstufen der Superhelden in Zeitalter ein: Im Goldenen Zeitalter rund um den Zweiten Weltkrieg entstanden die meisten Helden, die als patriotische Retter fungierten. Im Silbernen Zeitalter der 60er- und 70er-Jahre sind viele Helden weggebrochen, es tauchten allerdings auch nicht-weiße und weibliche Superhelden auf. Das Bronzene Zeitalter der 80er-Jahre brachte auch düstere Helden auf, im Modernen Zeitalter heute werden hauptsächlich bewährte Helden herausgebracht, das Comicgenre erfreut sich aber großer Beliebtheit. Das Bild des heutigen Superhelden? "Die Zukunft des Comichelden ist die des genialen Wissenschafters", meint Gusenbauer.