Richtig verärgert war Barbaras Katze zuerst, und das ganz zu Recht. Schließlich waren ihre Dosenöffnerin und ich im Theater gewesen und verwerflicherweise nachher noch essen gegangen. Das bedeutete ein stundenlanges Minus an Streicheleinheiten. Barbara wendete sie demonstrativ den Rücken zu, mich ignorierte sie völlig. Aber jetzt hat sie sich wieder ein wenig beruhigt, stützt ihren Kopf auf Barbaras Arm, lässt sich von ihr kraulen. Der Blick freilich, mit dem sie mich dabei fixiert, verheißt nichts Gutes. Vielleicht schaffe ich es ja noch, das Testament aufzusetzen und es zum Notar zu bringen. Denn das Urteil ist wohl gefällt, es geht nur noch um den Zeitpunkt.

Dank Matthew Inman weiß ich das. Der 28-jährige US-amerikanische Programmierer, Comicszeichner und Schöpfer der Kult-Webseite theoatmeal.com, hat es minutiös dargelegt in "Woran du erkennst, dass deine Katze deinen Tod plant". Vom Verlag Wiley wird das Buch als Comic ausgegeben und in Buchhandlungen entweder bei Comics oder bei Humor eingereiht. Was zwar beruhigend ist, aber grundfalsch. Ich vermute, es ist ein Lehrbuch; die Warnung eines Eingeweihten. Die Leser haben das erkannt: Das Buch stand auf Platz eins der "New York Times"-Bestsellerliste und bewegt sich auch auf deutschsprachigen Bestsellerlisten im Spitzenfeld.
Weltherrscher Katze
Kein Weg führt an der Erkenntnis vorbei: Die Katze ist auf dem Weg, die Weltherrschaft zu übernehmen. Wenigstens hat die Menschheit die Chance, in einigen ausgewählten Exemplaren als unbefellte Sklavenrasse zu überleben (falls sie nicht ohnedies längst unbemerkt dazu geworden ist). Dann wird auch dieser falsche Eintrag im Internet-Lexikon "Wikipedia" korrigiert werden: Die Katze "ist ein seit mindestens etwa 9500 Jahren vom Menschen gehaltenes Haustier", heißt es dort in Verkennung der Tatsache, dass es genau andersherum ist und der Mensch seit 9500 Jahren von der Katze gehalten wird. In Jericho etwa wurden Katzenskelette aus dem sechsten Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung gefunden.
Barbaras Katze fixiert mich weiterhin aus halbgeschlossenen Augen. Ich werde mich wohl in mein Schicksal ergeben müssen.
Die Ägypter, die haben die Zeichen erkannt: Die Katze verehrten sie als Katzengöttin Bastet, Tochter des höchsten Gottes, des Sonnengottes Re, Göttin der Liebe und Fruchtbarkeit, des Tanzes und der Feste - und übrigens auch der Musik, was den Begriff "Katzenmusik" einen völlig neuen Aspekt hinzufügt. Natürlich mumifizierten die Ägypter ihre Katzen - wie sie alle ihre heiligen Tiere von Krokodilen über Schlangen und Spitzmäuse bis hin zu Skarabäen einbalsamierten.
Die Scheiterhaufen brennen
Nach solcher Verehrung in der Antike kam das Mittelalter wie ein Fluch über die Katzenheit. Kirchenmänner ordneten, vielleicht beeinflusst vom persischen Zoroastrismus, die Katze dem Teufel zu. Im Volksaberglauben begleitete sie die Hexen, die ihrerseits Katzengestalt annehmen konnten. In die Fundamente der Kirchen mauerte man lebende Katzen ein, im aberwitzigen Irrglauben, damit den Teufel unter der Kirche zu begraben. Obendrein wurden speziell schwarze Katzen - aber nicht nur sie - auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Womit es ihnen nicht besser erging als tausenden und abertausenden Mädchen und Frauen.
Allerdings fanden sich, speziell unter den Adeligen, auch Katzenliebhaber. Und in einem Land genossen Katzen sogar hohes Ansehen: In England durfte sich eine Ansiedlung nur dann als "Hamlet", also als Dorf, bezeichnen, wenn sie mindestens neun Gebäude, einen Pflug, einen Brennofen, ein Butterfass, einen Hahn, einen Stier, einen Hirten und - ja: eine Katze aufweisen konnte.
Bisweilen wurde zu jener Zeit die Katze freilich auch auf dem Kontinent geehrt: Eike von Repgows Rechtsbuch "Sachsenspiegel" (1220-1230) legt für eine unrechtmäßig getötete Katze drei Pfennige Schadenersatz fest. Für eine unrechtmäßig getötete Kuh gab es nur einen Pfennig mehr.
"Siehst du", scheint Barbaras Katze mir mit ihrem Blick mitzuteilen, "ich bin eben etwas wert, nun gut, die Kuh wird überschätzt, aber reden wir jetzt einmal von dir . . ."
Angesichts solchen Blicks verkneife ich mir besser die Bemerkung, dass diese drei Pfennige für eine Katze nur deshalb festgesetzt wurden, weil die Katze als Nutztier galt. Das Katzenfell verwendete man für die Kleidung, und aus Katzenleder fertigte man Handschuhe.
Im 16. Jahrhundert verliert die Katze allmählich ihre Bedeutung als Nutztier und wird zum reinen Haustier. Wobei der alte Aberglauben den Menschen freilich unausrottbar in den Knochen sitzt: So glaubt manch einer, es brächte Unglück, wenn ihm eine schwarze Katze über den Weg läuft. Sollte er sich zwecks Abwendung des Unheils bekreuzigen, taumelt er von einem Aberglauben in den nächsten. Und alles nur wegen einer Katze. Also doch ein Tier des Teufels. . . ? - Immerhin fressen sie in alten japanischen Dämonengeschichten sogar Kinder.
"Na, Angst?", scheint Barbaras Katze mich mit ihrem Blick zu fragen.