Der Trickfilm führt in Österreich ein Schattendasein. Das wollen die heimischen Trickfilmkünstler Benjamin Swiczinsky, Conrad Tamour und Johannes Schiehsl ändern. Vor zwei Jahren präsentierten die Absolventen der Filmakademie Baden- Württemberg ihre Abschlussarbeiten im Wiener Filmcasino. Ihre Werke "366 Tage", die Tragikomödie "Der Besuch" und die Satire "Heldenkanzler" wurden damals mit großem Applaus bedacht. Seither versuchen sie als Gruppe "Neuer Österreichischer Trickfilm" von ihrem Büro beim Wiener Gasometer aus die Trickfilm-Szene hierzulande zu beleben. Benjamin Swiczinsky im Gespräch über den narrativen Animationsfilm, seinen Kurzfilm "Heldenkanzler" und Zukunftspläne.
"Wiener Zeitung": Zivildienst, Altern, Faschismus – inwieweit ist Trickfilm ein geeignetes Mittel, sich mit diesen Inhalten auseinanderzusetzen?
Benjamin Swiczinsky: Trickfilm gilt in den Köpfen vieler Menschen leider nach wie vor als Medium für Kinder und Kinderthemen - vor allem in Österreich und im Gegensatz zu Dänemark oder Frankreich, zum Beispiel. Dabei hat der Trickfilm aber ein viel weiteres Spektrum und kann sich grundsätzlich mit mindestens genauso viel Themen wie der "klassische" Spielfilm auseinandersetzen, eigentlich mit allen erdenklichen Themen. Außerdem kann man in der Animation viele Dinge oft direkter oder über visuelle Metaphern ansprechen kann, der Trickfilm eignet sich daher oft sogar besser für manche Geschichten. Geschichten mit ernsten Themen sind da natürlich keineswegs ausgeschlossen, wie zum Beispiel Filme wie "Waltz with Bashir", "Mary and Max" oder "Persepolis" in der jüngeren Vergangenheit zeigten. Man muss immer bedenken: Trickfilm ist letztendlich auch nur eine Technik und kein Genre.

Hinter der lockeren Trickfilm-Fassade verbirgt sich "Monster"-Arbeit? Wie lange arbeitet man im Durchschnitt an einem Trickfilm von beispielsweise 10 Minuten - handgezeichnet oder computergeneriert?
Das kann man schwer allgemein sagen. Die Produktionszeit eines ca. 10-minütigen Animatiosfilms kann von ein paar Monaten bis zu ein paar Jahren dauern. Das hängt von vielen Faktoren ab. Zum Beispiel den Grad der Stilisierung, der Technik, aber auch was für eine Geschichte, wie erzählt werden soll. Eine epische Geschichte über die Schlacht zwischen zwei Ork-Armeen zum Beispiel bedeutet einen anderen Aufwand als zum Beispiel eine Geschichte über eine Ente und einen Ball in einem weißem Raum. Unsere Filme "366 Tage", "Der Besuch" und "Heldenkanzler" hatten eine ungefähre Produktionszeit von zwei Jahren, was in dem Fall aber auch an die Zeiten in unserem Studium gekoppelt war.
Mit "Heldenkanzler" haben Sie einen der seltenen Versuche in diesem Land gewagt, sich mit dem gesellschaftlich und politisch nach wie vor tabuisierten Thema Austrofaschismus auseinanderzusetzen. Waren Sie überrascht von dem Erfolg und der positiven Rezeption?
Da es abgesehen von ein paar wenigen Ausnahmen noch nicht wirklich viele szenische Filme zu dem Thema Dollfuß in Österreich gab, hatte ich schon ein bisschen damit gerechnet, dass es den Ein oder Anderen interessieren und es sicher auch Kontroversen über den Film geben wird. Natürlich bekommt man immer mehr das positive Feedback mit, da die Leute einen immer gleich sagen, ob ihnen der Film gefallen hat. Wenn es ihnen nicht gefallen hat, sagen sie das einem eher nicht ins Gesicht, aber man bekommt es trotzdem auf irgendeine andere Art und Weise mit. Es gab also sowohl positive als auch negative Reaktionen auf den Film, was ja nichts Schlechtes ist. Grundsätzlich fiel mir auf, dass der Film in Deutschland ganz anders angenommen wird als in Österreich.

Inwieweit?
Die Deutschen lachen mehr.
Warum haben Sie dieses Thema gewählt?
Seit meiner Maturaarbeit zum Thema "1.Republik" hat mich das Thema fasziniert und ich dachte mir immer, man müsste mal einen Film darüber machen. Ich dachte dabei aber eher an einen klassisch-erzählten seriösen szenischen Historienfilm und eher nicht daran diesen einmal selbst zu machen. Im Zuge meiner Diplomvorbereitung ermunterte mein Dozent, Prof. Andreas Hykade, mich aber sehr, das Ganze als "unorthodoxen Animationsfilm" zu realisieren. Nachdem ich zu dem Thema etwas mehr recherchierte, kam ich darauf, dass das Thema noch kaum filmisch behandelt wurde.
Abgesehen von Dokumentationen fürs Fernsehen, gab es eigentlich nur Franz Novotnys "Staatsoperette", die damals in den 70er-Jahren für Verbote, Bombendrohungen und die Verfluchung durch den Erzbischof sorgte. Daraufhin entschied ich mich den Film zu machen und dachte mir insgeheim: "Mal sehen wie die Leute heute reagieren". Die Reaktionen waren dann nicht ganz so heftig. An dieser Stelle möchte ich mich außerdem einmal sehr herzlich bei meinem Geschichtslehrer Mag. Werner Bauer bedanken, mein Interesse an Geschichte der als Gymnasiast weckte. Ich weiß nicht, ob Sie das drinnen lassen. Er würde sich sicher freuen, wenn er das liest.
Und ihr Video zu Georg Kreislers "Telefonbuchpolka " – eine Hommage an den Künstler und/oder politisches Statement?
Seit frühster Kindheit bin ich ein großer Georg-Kreisler-Fan. Genauso, wie meine ganze Familie. Ich halte ihn von allen Vertretern der klassischen "Goldenen Ära des Kabaretts" bei weitem für den Besten und auch am meisten unterschätzten. Schon vor dem eigentlichen Projekt plante ich in meinen Gedanken einen Kreisler-Film, da ich finde, dass seine Lieder sofort Bilder - vor allem lustige Bilder - im Kopf entstehen lassen. Eines Tages rief dann die Makido-Film bei uns an und fragte, ob wir nicht für eine Kreisler-arte-Dokumentation "Die Telefonbuchpolka" verfilmen wollen. Trotz der knappen Zeit sagten wir sofort zu. Und da alle Lieder Kreislers irgendwie auch politische oder gesellschaftliche Statements sind, hat folglich auch der Film etwas davon abbekommen.