Cartoonist Stephan Pastis arbeitet an "Pearls Before Swine". - © Christopher Chung/ZUMA Press/Corbis
Cartoonist Stephan Pastis arbeitet an "Pearls Before Swine". - © Christopher Chung/ZUMA Press/Corbis

Die Nachfrage nach Comics steigt ständig und ist mittlerweile auch in unseren Breiten nicht mehr zu übersehen. Vor allem im städtischen Raum bieten viele Buchhandlungen inzwischen ein gut sortiertes Angebot an Comics. Große Verlage nehmen sich zunehmend dieser Erzählform an. Sogar die renommierte "Süddeutsche Zeitung" veröffentlicht interessante, von der Feuilletonredaktion ausgewählte Graphic Novels in ihrer Buchreihe "Süddeutsche Zeitung Bibliothek". Seit über zehn Jahren sind Comics auch ein fixer Bestandteil der Frankfurter Buchmesse (9.– 13. Oktober 2013), heuer ist eine ganze Halle dieser Kunst- und Erzählform gewidmet.

Amerika liebt Micky Maus und Superman

Der Name Comics kommt aus dem Englischen und ist eigentlich eine Verkürzung von Comic Strips, jener witzigen, kurzen Bilderstreifen, die in den Sonntagsausgaben amerikanischer Tageszeitungen neben Kreuzwort- und anderen Rätseln seit über 100 Jahren für Kurzweil bei den Lesern sorgen. Beispiele dafür sind "Katzenjammer Kids" (seit 1897!), "The Peanuts", in Österreich besser bekannt als Charlie Brown, Garfield, Dilbert und andere. Üblicherweise werden hier in Sprechblasen und wenigen Bildern Witze erzählt. Damit sind Comic Strips enge Verwandte der Cartoons, die einen Witz nur in einem Bild darstellen.

Zusätzlich zu den Comic Strips entwickelten sich in den USA auch Comics, die ganze Geschichten erzählten. Diese  wurden  teilweise als Fortsetzungsgeschichte in Zeitungen und Magazinen gedruckt, eine Form der Veröffentlichung, die auch bis in die 1960er Jahre in Europa beliebt war. Heute gibt es die Fortsetzungsgeschichten vor allem in einschlägigen Comicmagazinen.

Neben den Disney-Figuren Micky Maus, Donald Duck und Goofy, waren vor allem Superhelden der Verlage Marvel (Spiderman, X-Men, Die fantastischen Vier u.a.) und DC Comics (Superman, Batman, Wonder Woman u.a.) in den USA sehr populär. Wie stark die beiden 1935 (DC Comics) und 1939 (Marvel) gegründeten Comicsverlage die USA prägten und immer noch prägen, zeigt sich darin, dass sie nach Angaben von Wikipedia selbst 2008 noch rund 80 Prozent des Comics-Marktes in den USA beherrschten.

"Die spinnen die Römer"

Während das Superheldenthema viele Amerikaner offenbar sehr berührt, karikierten die französischen Comicsautoren René Goscinny (Text) und Albert Uderzo (Zeichnung) mit ihrem gallischen Krieger Asterix das Superheldenthema auf eine äußerst witzig-ironische Weise: Mit Bauernschläue und Superkräften dank eines Zaubertranks leisten Asterix, sein Freund Obelix und dessen Hund Idefix der damaligen Besatzungsmacht der Römer erfolgreich Widerstand. Bisher sind 34 Bände und zahlreiche Zeichentrickfilme erschienen, selbst ein Asterix-Vergnügungspark wurde in der Nähe von Paris erbaut. Asterix ist eine der ganz großen europäischen Comics-Erfolgsstories und wird auch heute noch gern gelesen – von Lutetia über Londonum bis Vindobona.

"Asterix" erblickte als Fortsetzungsserie im legendären französisch-belgischen Comics-Magazin "Pilote" 1959 das Licht der Welt, der erste Band erschien 1961. Aufgrund des sehr auf französische Verhältnisse abzielenden Humors, der zudem mit Wortspielen durchdrungen war, machte man sich erst mit einiger Verzögerung an Übersetzungen in andere Sprachen. Doch letztlich fand man in vielen Sprachen sehr unterschiedliche, aber regional funktionierende Übersetzungen. Beispielsweise wurde der Standardausspruch von Obelix "Ils sont fous ces romains" ("Die spinnen die Römer") in der italienischen Ausgabe mit "Sono pazzi questi romani" übersetzt, eine Anspielung auf das Hoheitszeichen des antiken Rom SPQR (Senatus Populsque Romanum – Senat und Volk von Rom), eine Abkürzung, die übrigens auch im heutigen Wappen von Rom noch zu finden ist. Mittlerweile wurde Asterix in über 100 Sprachen übersetzt und zu einem Welterfolg.

Grübel, schluck und stöhn

Comiczeichner Bob Kane (im Bild) schuf zusammen mit Autor Bill Finger die Figur "Batman". - © Bettmann/CORBIS
Comiczeichner Bob Kane (im Bild) schuf zusammen mit Autor Bill Finger die Figur "Batman". - © Bettmann/CORBIS

Gute Übersetzungen sind wichtig für den Erfolg von Comic-Bänden. Eine herausragende Rolle nehmen hier die Übersetzungen von Erika Fuchs ein. Ab den 1950er Jahren war die studierte Übersetzerin und spätere Chefredakteurin des deutschen Micky-Maus-Magazins vor allem für die Eindeutschung der Donald-Duck-Comics zuständig. Um Vorgänge aller Art zu beschreiben, verwendete sie Verben, die sie auf den Wortstamm verkürzte. Worte wie schluck, stöhn, grübel oder zitter (von "Donaldisten" scherzhaft "Erikativ" genannt) haben die Sprache von Generationen von Lesern beeinflusst. Ein Nachhall davon ist beispielsweise im EAV-Hit "Küss die Hand, schöne Frau" zu hören, wenn es heißt : "Grübel, grübel und studier, warum fahr’ ma net zu Dir?"

Fuchs, 1906 geboren, ließ zudem auch ihre klassische Bildung in die Übersetzungen einfließen. Wenn also Tick, Trick und Track einander schwören "Wir wollen sein ein einig Volk von Brüdern, in keiner Not uns waschen und Gefahr " ist dies eine Anspielung auf Schillers Version des Rütli-Schwurs ("Wir wollen sein ein einzig Volk von Brüdern, in keiner Not uns trennen und Gefahr.")

Thomas-Bernhard-Roman "Alte Meister" als Comic – vom Wiener Comiczeichner Nicolas Mahler. - © -
Thomas-Bernhard-Roman "Alte Meister" als Comic – vom Wiener Comiczeichner Nicolas Mahler. - © -

Weniger einfühlsam verfuhr Rolf Kauka mit seinen Übersetzungen französisch-belgischer Comics. Man übersetzte nicht wortgetreu, sondern erfand einen, wie man meinte, für Deutschland passenderen Text. So wurden z.B. aus den Galliern Asterix und Obelix Germanen namens "Siggi und Babarras", Spirou und Fantasio wurden zu Pit und Pikkolo und Gaston wurde zu Jo-Jo, der zudem stottert. Diese Art der freien Übersetzung war damals nicht unüblich. Dennoch überspannte die Redaktion in ihrer freien Übersetzung mitunter den Bogen, was letztlich dazu führte, dass Goscinny und Uderzo dem Rolf-Kauka-Verlag die Lizenz für die deutsche Asterix-Ausgabe entzogen.

Andererseits war Rolf Kauka mit seinen Fix-und-Foxi- und Bussi-Bär-Heften sehr erfolgreich und galt vielen als ein deutscher Walt Disney. Allerdings zeichnete Disney zumindest anfangs noch selbst, Rolf Kauka war aber gänzlich Verleger, der Zeichner engagierte – u. a auch den Illustrator Walter Neugebauer, der später auch den Haribo-Bären zeichnete.

Ein weiteres deutschsprachiges Comic aus den 1950er Jahren, das jetzt wieder in einer Gesamtausgabe vorliegt, ist "Nick Knatterton" von Manfred Schmidt, dessen Geburtstag sich 2013 zum einhundertsten Mal jährt. "Knatterton" war ein als Parodie zu den US-Superhelden entworfenes Comic um den gleichnamigen Meisterdetektiv.

Wiederbelebung, Fortführung, Einstellung

Das Schicksal vieler der berühmten Comics-Helden ist eng mit ihren Erfindern und Zeichnern verknüpft. Sterben die Zeichner, "sterben" oft auch deren Comic-Helden. Der großartige belgische Comic-Zeichner Hergé (eigentlich Georges Prosper Remi), Schöpfer von Tintin (deutsch: "Tim und Struppi"), verfügte sogar testamentarisch, dass nach seinem Tod niemand die Serie "Tim und Struppi" weiterführen dürfe.
Andere Zeichner regeln die Nachfolge bereits zu Lebzeiten: Der grandiose französische Bande-Dessineé-Zeichner (frz. bande dessineé = dt. Comic) Jacques Tardi feierte mit seinen Comics-Adaptionen der Romane von Leo Malet um den zynischen Detektiv Nestor Burma große Erfolge. Da er auch an anderen Werken arbeitete, wie "Die Macht des Volkes", einer erfolgreiche Adaption eines Romans von Jean Vautrin, suchte er einen Zeichner für die Nestor-Burma-Geschichten und fand diesen in Emmanuel Moynot, der damit als Comiczeichner seinen Durchbruch feierte.

Endlich: Neuer Asterix am 24. Oktober

Uderzo bei der Arbeit. Der neue Asterixband erscheint am 24. 10. 2013 - © Corbis
Uderzo bei der Arbeit. Der neue Asterixband erscheint am 24. 10. 2013 - © Corbis

Auch das künftige Schicksal von Asterix scheint gelöst. Der heute 86-jährige Zeichner Albert Uderzo übernahm nach dem frühen Tod des Asterix-Texters René Goscinny im Jahr 1977 auch das Texten in den folgenden Bände, konnte damit aber nach Ansicht der Kritik nicht mehr an die Brillanz von Goscinny anschließen. Aus Altersgründen suchte Uderzo nach Nachfolgern für Asterix und fand sie in Didier Conrad und Jean-Yves Ferri. Der am 24. Oktober erscheinende 35. Asterix-Band – "Asterix bei den Pikten" – stammt bereits von den beiden.

Mangas, Mangas, Mangas

Hierzulande ist weitgehend unbekannt, dass es, als Wilhelm Busch noch in der Schule das Zeichnen lernte, in Japan bereits eine florierende und interessante Manga-Szene gab. Allerdings hießen die Holzschnittbilder, die im 17. Jahrhundert in Japan aufkamen, zunächst Ukiyo-e. Von einem dieser Ukiyo-e-Meister soll auch der Begriff Manga stammen. Manga ist heute das japanische Wort für Comic. Strenggenommen sind Mangas Comics, die ausschließlich aus Japan stammen. Mittlerweile werden aber auch Comics als Mangas bezeichnet, die bloß typische Stilelemente dieser Comic-Art enthalten, egal, ob sie aus den USA oder Europa kommen.

Mit entsprechenden, modernen Drucktechniken starteten die Mangas Mitte des 19. Jahrhundert in Japan richtig durch. In Österreich und Deutschland dauerte es jedoch bis in die 1990er Jahre, bis Verlage und Konsumenten die Mangas entdeckten. Dafür war der Erfolg dann umso größer. Junge Comic-Leser können sich eine Comic-Literatur ohne Mangas heute wohl nicht mehr vorstellen. Allerdings lernten viele, die heute als Mangas erhältlichen Comics wie "Pokémon" oder "Dragonball" zunächst als Zeichentrickfilm (japanisch Animé) kennen und lieben.

In Japan selbst umfassen Mangas alle Genres von Kinder- bis hin zu Erwachsenengeschichten. Allerdings nehmen Mangas in Japan einen ganz anderen Stellenwert ein als Comics hierzulande: Nach Angaben der Japanese Publishing Industry sind rund 40 Prozent (!) aller Druckwerke in Japan Mangas. Im Vergleich dazu machen laut Börsenverein des deutschen Buchhandels Comics in Deutschland magere 7,1 Prozent vom Buchmarkt aus – und da sind bereits Cartoon-Bände, Humor- und Satirebücher miteingerechnet.
Eine Auswahl lesenswerter Manga-Klassiker sind "Barfuß durch Hiroshima", eine Bildergeschichte gegen den Krieg" von Keji Nakazawa, "Heine in Japan" von Keiko Ogata und "Japan GmbH" vom "König des Manga" Shōtarō Ishinomori.

Ein neueres Manga ist z.B. "Vertraute Fremde" von Jirō Taniguchi. Ein erwachsener Mann schläft ein und erwacht als 14-jähriger Bub wieder. Jedoch mit dem Wissensstand des Erwachsenen. Er erhält so eine zweite Chance, um herauszufinden, warum sein Vater die scheinbar glückliche Familie plötzlich verließ.

Comics als Kunstform – Graphic Novels

Jene Comic-Form, die sich gegenwärtig bei Erwachsenen größter Beliebtheit erfreut, ist die sogenannte Graphic Novel. Einer ihrer wichtigsten Zeichner war Will Eisner (1917–2005), der die Entwicklung des Comics im 20. Jahrhundert maßgeblich mitgestaltete. Seine Mutter kam aus Rumänien, sein Vater aus Österreich. Zwar nahm seine Erfolgsserie "The Spirit" auch Anleihen aus dem Superhelden-Genre, Eisner ging aber darüber hinaus, indem er auch Elemente aus Kriminal-, Horror- und Liebesgeschichten hineinmischte. Als Jude waren ihm jüdische Themen ein Anliegen, wie in dem Band "Ein Vertrag mit Gott", in dem Eisner vier Geschichten aus einem New Yorker Mietshaus erzählt. Das Buch ist sogar auf Jiddisch (mit hebräischen Buchstaben) erschienen. In seinem letzten Werk "Das Komplott" beschreibt Eisner die Entstehungsgeschichte der "Protokolle der Weisen aus Zion". Dieser frei erfundene Text stammt aus dem zaristischen Russland und soll angeblich die jüdische Verschwörung zur Erlangung der Weltherrschaft dokumentieren. Eisner zeigt damit nicht nur, wie diese antisemitische Propaganda entstand und wirkte, sondern dass Comics durchaus auch sehr ernste Sachverhalte thematisieren können.

Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang auch Art Spiegelman (geboren 1948), dessen Comic-Klassiker "Maus" in zwei Bänden die Leidensgeschichte seines polnischen Vaters Wladek unter den Nationalsozialisten bis hin zur Internierung im Konzentrationslager Au-schwitz erzählt. Der Clou: Spiegelman zeichnet Juden als Mäuse, Deutsche als Katzen und Polen als Schweine. Von der Kritik hochgelobt, erhielt dieser Comic sogar einen Pulitzer-Preis.

Heute werden Comics bzw. Graphic Novels für jedes denkbare Genre eingesetzt: Es gibt sie als Krimis (Ian Rankin: "Verborgene Muster"), als Bio-grafie (Sascha Dreier: "Der Papierene. Band 1903-1933", über den österreichischen jüdischen Fußballer Matthias Sindelar), als Autobiografie (Marjane Strapie: "Persepolis"), als Fantasy-Geschichte (Neil Gainman: "Niemalsland"), als Reiseberichte (Guy Delisle: "Pjöngjang oder Aufzeichnungen aus Burma") und sogar als journalistische Reportagen (Joe Sacco: "Reportagen"). Selbst als Filmvorlagen werden Comics gerne genützt (Posy Simmonds: "Tamara Drewe", verfilmt als "Immer Ärger mit Tamara" von Stephen Fry, Frank Miller: "Sin City" verfilmt von Quentin Tarantino und Frank Miller).

Gekommen, um zu bleiben

Comics als Kunstform haben längst einen festen Platz im Literaturbetrieb. Mit vielen hundert Neuerscheinungen pro Jahr allein im deutschsprachigen Markt bietet der Markt für jeden etwas.
Wer mehr über Comics wissen will, vielleicht sogar selbst welche zeichnen möchte, der sei auf die beiden exzellenten (englischsprachigen) Werke Will Eisners verwiesen: "Comics and Sequential Art und Graphic Storytelling and Visual Narrative". Sehr empfehlenswert und zudem auch auf Deutsch erhältlich sind ferner die beiden Bände "Comics richtig lesen" und "Comics machen: Alles über Comics, Manga und Graphic Novels" des Comiczeichners Scott McCloud. Darin baut er auf Will Eisner auf und geht über diesen hinaus, indem er sein Comic-Lehrwerk in einer dem Thema entsprechenden Form verfasst: Als Comic, was sonst?

Print-Artikel erschienen am 27. September 2013 in: "Wiener Zeitung", Beilage "Wiener Journal".