Was ist schon ein Wildschwein gegen ein Ungeheuer von Loch Ness? Zumindest diesen Spoiler wird man wohl machen dürfen: Das berühmte Seemonster spielt zwar eine Rolle, wird aber nicht verspeist von Obelix im neuen Asterix-Band. Der führt nämlich nach Schottland, beziehungsweise nach Kaledonien. "Asterix bei den Pikten" ist das erste Abenteuer, das die Gallier unter neuer Autorenschaft unternehmen. Zeichner Albert Uderzo, immerhin schon 86 Jahre alt, hat sich ja zurückgezogen. Texter ist nun Jean-Yves Ferri, die Zeichnungen stammen von Didier Conrad.
Vor allem Letzterer hatte keinen leichten Job. Er war nicht nur dem öffentlichen Druck ausgesetzt, den Vorgängern Uderzo und René Goscinny gerecht zu werden - sein Vorgänger brachte sich auch persönlich ein. Hatte Obelix Hose zu wenige Streifen, gabs was auf die Finger. Im Vorfeld haben Ferri und Conrad gesagt, dass sie mit "Asterix bei den Pikten" an die Bände der Siebziger wenn schon nicht heranreichen, dann doch erinnern wollten. Fans hofften vor allem, dass der Witz wieder in das gallische Dorf zurückkehren würde.
Scotch on the Rocks
"Asterix bei den Pikten" beginnt also damit, dass ein rothaariger, tätowierter Hüne im Rock in einem hinkelsteinförmigen Eisblock von Asterix und Obelix aufgefunden wird. Ein "Scotch on the Rocks" sozusagen. Er erhält erst Asyl bei seinen gallischen Freunden, bis seine Anwesenheit dazu führt, dass die Damen feststellen, dass ihre Krieger auch schon mal durchtrainiertere Körper gehabt haben. Mit einem guten Timing gesegnet, fällt dem Pikten Mac Aphon aber ein, wo er zuhause ist. Dahin begleiten ihn Asterix und Obelix, nicht ohne vorher einen römischen Volkszähler recht eindrücklich zu fragen, wer hier bitteschön dick ist und nun ja, natürlich die Piraten...
In Kaledonien lernt man nebst Seeungeheuer ("fetter Otter" © Obelix) auch Sitten wie das Baumstammwerfen kennen und die Vielfalt der kariert-rockigen Clans. Einer politischen Intrige des Clanchefs Mac Abberh ("vom anderen Ufer") inklusive Frauenraub (die wahlweise "duftige" oder "dunstige" Camilla) und so hinterhältigen wie nutzlosen Römereinsatz ("Ähm...Ave!") kann das gallische Duo Einhalt gebieten. Nur so viel: Zenturio Habdenblus heißt nicht umsonst so. Tatsächlich hat der neue Band ein paar Höhepunkte, etwa Obelix Begegnung mit den schottischen Dudelsack-Barden. Fazit des Bläsers: "Auf sieben Krücken muss ich gehen." Auch die lakonische Begrüßung der Römer durch einen Schotten ("Achtung Moor") hat Charme.
Lecker Legionärsmaterial
Manches kommt allerdings zu kurz. So groß die Freude ist, dass Obelix wieder enthemmt "Schick, schick, schick!" schreit beim Anblick von lecker Legionärsmaterial, so schmerzlich ist doch, dass Asterix selbst wieder recht farblos bleibt. Außer wenn er Obelix ("Hörr Obelix!") lautstark maßregelt ob seines exzessiven Baumstammgebrauchs. Auch aus dem Volk der Pikten wäre wohl etwas mehr herauszuholen gewesen - nicht eine einzige anständige Macbeth-Anspielung ist doch eine magere Ausbeute. Römer treten - vielleicht konsequent - gleich nur in einer Nebenrolle direkt zum Vermöbeln an. Außerdem: Seit wann "spinnen die Römer" nicht mehr?
Didier Conrads Zeichnungen sind liebevoll, er komprimiert etwa die wichtigste Keilerei in einer einzigen detailliert-komischen Skizze. Ferris Geschichte erinnert an frühe Bände, und er landet auch einige gute Gags. Trotzdem merkt man "Asterix bei den Pikten" die Angst vor dem Scheitern an. Hoffentlich ist es so, wie Ferri und Conrad vor kurzem vorsichtig angemerkt haben: Dass dies ein Übergangsband ist - zwischen zwei Generationen.
Mit dem nächsten Band können sie ruhig ein bisschen weniger zaghaft mit dem von Uderzo und Goscinny so meisterhaft vorgelegten Material arbeiten. "Heute wäre Asterix wohl Globalisierungsgegner" haben die beiden Nachfolger in einem Interview analysiert. Also haben die beiden das revolutionäre Potenzial von Asterix durchaus erkannt - das lässt hoffen.
Und mehr Ausgelassenheit hat den Galliern noch nie geschadet. Auch wenn Troubadix das vielleicht anders sieht.