Was haben Hergé, Harold Foster, Will Eisner, Charles M. Schulz, Moebius/Giraud gemeinsam? Klar: Bei allen handelt es sich um Comic-Künstler. Aber abgesehen davon? Nun, allesamt sind sie keine Österreicher. Man könnte die Liste beliebig fortsetzen - dennoch würde man unter den Klassikern des Comics keinen österreichischen Namen finden. Warum eigentlich? Wieso kam es in Österreich zu keiner nennenswerten Comic-Kultur in Österreich? Versuch einer historischen Ergründung.

Am Ende des 19. Jahrhunderts, als die ersten Comics in Zeitungen erschienen, hat sich New York als Hochburg dieses neuen Genres herausgebildet - im Big Apple konnte man als Zeichner das große Geld machen. Schnell meldeten sich kritische Stimmen zu Wort, die den Comic als Medium der Unterschicht ansahen und damit als "vulgär" abstempelten. Die Entwicklung und Dynamisierung, die sich in Amerika vollzog, ging an den deutschsprachigen Zeichnern nahezu gänzlich vorbei, selbst die Sprechblasen wurden erst viel später eingesetzt.

Hierzulande trennte man nach wie vor Text und Bild, verweigerte sich den amerikanischen Innovationen zunächst konsequent. Vermutlich hat auch die anfängliche Ablehnung der Sprechblasen dazu beigetragen, die Entwicklung einer Comic-Kultur wirkungsvoll zu verhindern. Denn Sprechblasen sind nicht nur eine Möglichkeit, Text ins Bild zu integrieren. Vielmehr kann man durch sie selbst Inhalte transportieren, durch ihre Form, Größe oder Farbe: Sie geben dem Comic seinen essenziellen Charakter.

Verlage und Geld fehlen

In den 1920ern, als sich der Comic von der Zeitung löste, fand er endgültig auch in Europa Einzug. Der Belgier Georges Rémi beispielsweise, der seine verlautlichten Initialen R.G. wieder verschriftlichte, ging als Hergé in die Geschichtsbücher ein, mit ihm sein berühmtester Comic "Tintin" ("Tim und Struppi"). Es folgte der Zweite Weltkrieg, der die Comics in Europa entweder instrumentalisierte oder verbot, während die Entwicklung in Amerika weiter voranschritt: Harold Foster ("Tarzan") oder Jerry Siegel und Joe Shuster ("Superman") machten in dieser Zeit mit der Erfindung der Superhelden Karriere. In Europa kam es erst nach dem Krieg zur ersten Blütezeit des Comics, nämlich indem die Schrecken des Krieges ganz einfach ausgeblendet wurden. Die wichtigsten franko-belgischen Künstler dieser Zeit waren Franquin ("Spirou und Fantasio" oder "Gaston"), Peyo ("Die Schlümpfe") und Morris ("Lucky Luke"), parallel dazu wurde Charles M. Schulz in Amerika mit seinen Geschichten über Charlie Brown in seinen "Peanuts" zum Star.

Im deutschsprachigen Raum wurde der Comic unterdessen weiterhin erfolgreich verpönt: Während man in Frankreich das wichtige Comic-Magazin "Pilote" gründete, in dem beispielsweise "Asterix" erstmals abgedruckt wurde, diskutierte man in Deutschland und Österreich heftig über die sogenannte Schmutz- und Schundkampagne, im Zuge derer von der Lektüre von Comics heftig abgeraten wurde. Das Wiedererscheinen der Comichefte nach 1945 in Europa wurde als gefährlich für die Jugend angesehen: Comics waren "schmutzig".

Erst viel später, als es dank der Innovation zahlreicher Künstler der 60er und 70er Jahre, bereits möglich geworden war, in Comics auch ernsthafte Themen zu behandeln, als die Helden mit psychologischer Tiefe ausgestattet waren, schaffte in den 80er Jahren Art Spiegelman erstmals den Durchbruch in Deutschland mit seinem Comic "Maus", in dem er den Holocaust, übertragen auf die Katzen- und Mäusewelt, aufarbeitete. Damit hat die Comickultur in Deutschland Eingang gefunden, heute zählen Künstler wie Ralf König, bekannt mit seinen Knollennasen-Comics, zum festen Bestandteil der internationalen Comicszene.

Biertrinken, Comiczeichnen

Wie aber verhält es sich in Österreich? Der Comic hat es hierzulande immer noch schwer: Es fehlt an Verlagen, Publikum und finanziellen Möglichkeiten. Das Einzige, woran es nicht fehlt, sind die Künstler.

Jeden zweiten Mittwoch im Monat treffen sich Zeichner jeden Alters und Geschlechts, im Café Rüdigerhof im fünften Wiener Bezirk. Ob Künstler oder Sammler, alle sind hier willkommen, denn sie haben eines gemeinsam: die Leidenschaft für den Comic. Da wird bei einem Bier gezeichnet, geplaudert, man zeigt sich gegenseitig die neuesten Werke und diskutiert über die Strichführung. Alle haben ihren Zeichenblock dabei, manche gar ihr eigenes Buch, das sie bereits publiziert haben, wenn auch im Eigenverlag.

Da ist zum Beispiel Franz Suess, der von Verlagen bereits zu hören bekommen hat "er solle noch üben", und daraufhin seine Graphic Novel "zu fallen und weiter" ganz einfach selbst finanziert und verlegt hat. Eine gute Entscheidung, wie man nach einem Blick ins Buch feststellen kann. Das, was nämlich vom Verlag als "ungeübt" verurteilt wurde - entsprechend in etwa dem Urteil, Picasso wäre ungeschickt in der Darstellung von Frauenkörpern, weil er sie gar so kantig malt - erweist sich als ganz besonderer Stil, der eine mysteriöse, ja poetische Welt entstehen lässt.